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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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Reids Mutter den Tod ihres Sohnes mitzuteilen. Allerdings hatte er eine Vertrauensbeamtin und eine uniformierte Polizistin als Verstärkung mitgenommen, die diese Last mit ihm teilen würden.
    »Also, dann wollen wir mal«, sagte er schließlich. »Hat ja keinen Sinn, es noch länger vor uns her zu schieben.«
    Ein kräftiger Mann von Mitte fünfzig öffnete ihnen die Tür. Sein Gesicht war ziegelrot, er hatte einen Schnauzbart, und seine blutunterlaufenen Augen musterten die Polizisten feindselig. Er warf einen flüchtigen Blick auf Constable Watsons Uniform und sagte: »Wird aber auch höchste Zeit, dass ihr Typen hier aufkreuzt.« Die Arme vor der Brust verschränkt, wich er nicht von der Stelle.
    Damit hatte Logan nicht gerechnet. »Ich muss mit Miss Reid sprechen«, sagte er schließlich.
    »Ach ja? Da kommt ihr verdammt noch mal zu spät! Diese Scheiß-Zeitungsfritzen haben schon vor ’ner Viertelstunde hier angerufen und wollten ’n verdammtes Interview!« Mit jedem Wort wurde er lauter, bis er Logan regelrecht ins Gesicht brüllte. »Sie hätten uns zuerst informieren müssen!« Er schlug sich mit der Faust an die Brust. »Wir sind seine Familie, verdammt noch mal!«
    Logan zuckte zusammen. Wie zum Teufel hatte die Presse Wind davon bekommen, dass sie David Reids Leiche gefunden hatten? Als ob die Familie nicht schon genug Kummer hätte.
    »Es tut mir Leid, Mr. …?«
    »Reid. Charles Reid.« Der Mann verschränkte erneut die Arme und blies sich noch mehr auf. »Ihr Vater.«
    »Mr. Reid, ich weiß nicht, wie die Presse davon erfahren hat. Aber eines verspreche ich Ihnen: Wer immer dafür verantwortlich ist, kriegt von mir einen Tritt in den Hintern, dass er von hier bis Stonehaven fliegt.« Logan hielt inne. »Und ich weiß, dass das die Sache auch nicht wieder in Ordnung bringt, aber jetzt muss ich trotzdem mit Davids Mutter sprechen.«
    Von der obersten Treppenstufe blickte der Vater finster auf Logan herab. Endlich trat er zur Seite, und Logan konnte durch eine Glastür in ein kleines, in lebhaftem Gelb gestrichenes Wohnzimmer sehen. Auf einem knallroten Sofa saßen zwei Frauen. Die eine sah aus wie ein Schlachtschiff im geblümten Kleid, die andere wie ein Zombie.
    Die jüngere Frau blickte nicht auf, als die Polizisten das Wohnzimmer betraten. Sie saß nur da und starrte mit leeren Augen auf den Fernsehbildschirm, wo Dumbo gerade von den Clowns malträtiert wurde. Logan sah die Vertrauensbeamtin erwartungsvoll an, doch sie gab sich größte Mühe, jeglichen Blickkontakt mit ihm zu vermeiden.
    Logan holte tief Luft. »Miss Reid?«
    Keine Reaktion.
    Logan ging vor dem Sofa in die Hocke und versperrte ihr die Sicht auf den Fernseher, doch sie schaute einfach durch ihn hindurch, als wäre er nicht da.
    »Miss Reid? Alice?«
    Sie rührte sich nicht. Doch die ältere Frau funkelte ihn böse an. Ihre Augen waren rot und verquollen, auf ihren runden Wangen und der schlaffen Haut unter ihrem Kinn glitzerten Tränen. »Wie können Sie es wagen!«, knurrte sie. »Sie unfähiger Haufen von Idi…«
    »Sheila!« Der ältere Mann trat auf sie zu, und sie verstummte.
    Logan wandte sich wieder der apathischen Gestalt auf dem Sofa zu. »Alice«, sagte er, »wir haben David gefunden.«
    Bei dem Namen ihres Sohnes trat ein Funken Leben in ihre Augen. »David?« Ihre Lippen bewegten sich kaum, und ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
    »Es tut mir Leid, Alice. Er ist tot.«
    »David …«
    »Er wurde ermordet.«
    Es war einen Moment lang still, und dann explodierte der Vater. »Dieses dreckige Schwein! Dieses verdammte, dreckige Schwein! Er war erst drei!«
    »Es tut mir Leid.« Mehr wollte Logan einfach nicht einfallen.
    »Es tut Ihnen Leid? Es tut Ihnen Leid ?«, fuhr Mr. Reid ihn an. Sein Gesicht war feuerrot. »Wenn ihr elenden Versager den Hintern aus dem Sessel gekriegt und ihn gleich gesucht hättet, als er verschwunden ist, dann wäre er jetzt nicht tot! Drei Monate!«
    Die Vertrauensbeamtin gestikulierte beschwichtigend mit den Händen, doch Mr. Reid ignorierte sie. Er bebte vor Wut, und in seinen Augen funkelten Tränen. »Drei – verdammte – Monate!«
    Logan hob die Hände.
    »Bitte, Mr. Reid, beruhigen Sie sich doch, okay? Ich weiß, Sie sind sehr verärgert …«
    Der Boxhieb hätte Logan nicht so unvorbereitet treffen dürfen. Doch die Faust krachte wie ein Ziegelstein in seine Magengrube, riss an dem Narbengewebe, schickte einen glühenden Feuerstrahl durch seine Eingeweide. Er klappte den Mund

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