Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
am Ufer entlang vor. In der Finsternis konnten sie kaum hoffen, etwas zu finden, aber in den morgendlichen Fernsehnachrichten würde es einen guten Eindruck machen.
Schniefend vergrub Logan die Hände noch tiefer in den Taschen. Er drehte sich um und blickte den Hang hinauf, wo die Fernsehteams mit ihren gleißenden Scheinwerfern standen. Sie waren bald nach Logans Eintreffen am Tatort aufgetaucht, gierig auf Schnappschüsse von totem Fleisch. Anfangs war es nur die Lokalpresse gewesen, die jeden, der eine Polizeiuniform trug, mit ihren Fragen bombardiert hatte; dann waren die Schwergewichte eingetrudelt: BBC und ITV mit ihren Kameras und ihren ernst dreinblickenden Reportern.
Die Grampian Police hatte die übliche hinhaltende Pressemitteilung herausgegeben, vollkommen frei von jeglichen konkreten Einzelheiten. Der Himmel allein wusste, was die da oben auf dem Hügel ihren Zuschauern zu erzählen hatten.
Logan kehrte ihnen wieder den Rücken zu und sah den auf und ab hüpfenden Lichtkegeln der Taschenlampen nach, mit denen der Suchtrupp mühsam durch die Dunkelheit stapfte.
Normalerweise wäre dieser Fall gar nicht auf seinem Tisch gelandet. Nicht am ersten Tag nach seiner Auszeit. Aber der Rest der Aberdeener Kripo war entweder auf einer Fortbildung oder ließ sich bei der Party eines Kollegen voll laufen, der seinen Ausstand feierte. Es war noch nicht einmal ein Detective Inspector am Tatort! DI McPherson, der Logan eigentlich helfen sollte, sich wieder in den Dienstalltag hineinzufinden, musste sich erst mal den Kopf wieder zusammennähen lassen, den ihm jemand mit einem Küchenmesser abzusäbeln versucht hatte. Und so durfte Detective Sergeant Logan McRae nun die Ermittlungen in einem Mordfall leiten, und er konnte nur beten, dass er nicht allzu viel Mist baute, ehe er ihn wieder abgeben durfte. Willkommen zurück im Dienst.
Der Streifenpolizist mit dem grünlichen Teint kam aus dem Zelt der Spurensicherung gewankt und tapste mit quatschenden Schritten auf den Baum zu, unter dem Logan stand. Er sah so aus, wie Logan sich fühlte – nur schlimmer.
»O Mann.« Der Constable schüttelte sich und steckte sich gierig eine Zigarette zwischen die Lippen, als fürchtete er, dass ihm sonst der Kopf platzen könnte. Nach einer Weile fiel ihm ein, dass er dem neben ihm stehenden Detective Sergeant auch eine anbieten könnte, doch Logan lehnte dankend ab.
Der Polizist zuckte mit den Achseln und fischte ein Feuerzeug aus der Brusttasche seiner Uniformjacke. Er zündete die Zigarette an, die in der Dunkelheit glomm wie ein Stück Kohle. »Ganz schön üble Geschichte, und das an Ihrem ersten Tag zurück im Dienst, was, Sir?«
Eine weiße Wolke breitete sich in der Dunkelheit aus, und Logan atmete tief ein, sog den Rauch in seine vernarbten Lungen, ehe der Wind ihn fortwehen konnte.
»Was sagt Iso …« Er korrigierte sich. »Was sagt Dr. MacAlister?«
Wieder erhellte ein Blitz das Zelt und ließ die in der Bewegung erstarrten Schattenfiguren sehen.
»Auch nicht viel mehr als der Bereitschaftsarzt, Sir. Der arme kleine Knirps ist mit irgendwas erdrosselt worden. Das andere ist wahrscheinlich später passiert.«
Logan schloss die Augen und versuchte das Bild der aufgequollenen Kinderleiche zu verdrängen.
»Tja.« Der Constable nickte wissend, und das glimmende Ende seiner Zigarette wippte in der Dunkelheit auf und ab. »Wenigstens war er schon tot, als es passierte. Dafür müssen wir wohl dankbar sein.«
Concraig Circle war eine Straße in einem der Neubaugebiete von Kingswells, einem Vorort nur fünf Minuten außerhalb von Aberdeen, der Jahr um Jahr noch näher an die Stadt heranrückte. Die Häuser hier wurden als »individuell gestaltete Villen für den gehobenen Anspruch« beworben, sahen aber aus, als wären sie von jemandem entworfen worden, der ganze Wagenladungen gelber Backsteine, aber keinen Funken Fantasie besessen hatte.
Die Nummer 15 lag nahe der Einmündung einer gewundenen Sackgasse. Die Gärten waren alle noch so neu, dass sie kaum mehr als kahle Rasenrechtecke waren, gesäumt von stummeligen Sträuchern. An vielen Pflanzen prangten noch die Etiketten des Gartencenters. Obwohl es schon fast zwei Uhr früh war, brannte im Erdgeschoss von Nummer 15 noch Licht.
Detective Sergeant Logan McRae saß auf dem Beifahrersitz eines zivilen Einsatzwagens und seufzte. Ob es ihm nun gefiel oder nicht, er war der leitende Ermittlungsbeamte in diesem Fall, und das bedeutete, dass er die Pflicht hatte, David
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