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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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meine Damen und Herren, richtig tropisch, manchmal ging es 100 Meter oder mehr in den Berg rein und nicht selten nicht mehr raus, weil die Streben das nicht aushielten. Mit Hacke und Ausrüstung und allem, das planen wir also, ein richtiges Flöz und eine Seite verglast, damit man von außen schön zugucken kann und wir engagieren gerne einen Schauspieler, der uns dabei Charles Dickens vorliest. Na ja, hoffentlich nächste Weihnachten. Jetzt werden die Kinder halt hier arbeiten müssen wir vor 150 Jahren.« Er zeigt auf einen großen Häufen Schutt und Geröll inmitten der Kathedrale, fünf, sechs Meter hoch mindestens und sieht aus wie das Hünengrab im Museumsdorf, da war ich mal mit Jonas.
    Die Kinder stecken die Fackeln in Vertiefungen im Boden, am Steinhaufen liegen jede Menge Hacken und Schippen, der Alte von vorhin, der mit dem komischen Zylinder, ist wie aus dem Nichts aufgetaucht und spuckt böse Anweisungen, die Kinder schnappen sich Werkzeug, sie hauen die Hacken in den Schutt, sie schippen ihn ächzend weg, dazu rauschen die Abendkleider der Damen.
    Ich drehe mich um und sehe vier niedliche kleine Mädels anmarschieren, auch sie ärmlich und als wäre es vorvorgestern gekleidet, schrecklich dünn und schmutzig, traurige große Augen. Die Mädels tragen Tabletts mit Champagner, der gerne genommen wird. »Ui, bist du ne Süße!« – »Na, was isst du denn so? Graubrot?« – »Zeig mal dein Hungerbäuchlein.« – »Mensch, wie damals in Äthiopien, weißt du noch, Richard?«
    Was geht hier vor, kann mir das mal einer erklären? Jetzt tätschelt die eine Schabracke sogar dem kleinen Mädchen da das Bäuchlein, »mach mal ein Foto, Leo, damit Clarisse-Aimee sieht was passiert, wenn sie ohne Frühstück zur Schule geht.« Und Leo nimmt sein Handy und fotografiert, wie überhaupt viel fotografiert wird, die Mädchen, die Kinder am Geröllhaufen, wo es furchtbar staubt, und also nehm ich auch mein Handy aus der Dirndltasche und fotografiere, fällt nicht auf.
    »Wetten, dass wir heute gewinnen?«, fragt einer neben mir. »Haha«, lacht ein anderer, »da halt ich dagegen. Tausender?« »Topp!«, sagt der andere und fügt hinzu: »Aber schreib mir irgend ne Quittung für Fachberatung oder was, damit wir das auf jeden Fall von der Steuer absetzen können.« »Geht klar!« Hm, bei mir geht gerade gar nichts klar.

78
    Schließlich rasten sie komplett aus. Immer mehr wetten gegeneinander und weil das nicht genug ist, wetten einige auf die Wetten und andere schreien »Wer verkauft mir eine Ausfallversicherung auf die Wetten?« Der Backenbart reißt Zettel aus einem Notizbuch, kritzelt etwas drauf, bietet sie als »Christmas Bat Damage Fonds« feil und bekommt sie aus den Händen gerissen. Wenn sie nicht wetten, lästern sie eben über die gar nicht mehr so prickelnden Sektkelche hinweg über die historische Niederlage des Sozialismus. »Was ist denn von den Achtundsechzigern geblieben, hä? Die Rudi-Dutschke-Straße in Berlin und Rainer Langhans im Dschungelcamp!« Versteht das einer? Was ist das? Wahnsinn oder doch nur die Normalität, also der totale Wahnsinn?
    Und die Kinder schuften, man mag es gar nicht mehr mit ansehen, sie wuchten Steine weg und schwitzen dabei, sogar die kleinen Mädchen packen den Schutt mit blanken Händen und werfen ihn beiseite, bücken sich und tun es wieder, ich fotografiere und weiß nicht warum. Heißt das nicht surreal? Wie dieser Dali mit der brennenden Giraffe und der zerfließenden Uhr. Moment mal – ist das hier vielleicht Kunst, so ein Happening?
    »Da!« Einer zeigt mit dem Finger auf den Steinhaufen und sofort ist Ruhe. Ein klitzekleines Mädchen hält etwas silbern Glänzendes hoch, sofort springt der Alte mit dem kaputten Zylinder hin und reißt es ihm aus der Hand, krächzt »Das erste!« und macht sich an dem Kästchen – muss eins sein – zu schaffen. »Ein Diamantarmband!« verkündet er und hält es zum Beweis der gaffenden Meute hin, »ein Weihnachtsgeschenk von Herrn Prokurist Herbich für seine Frau!« Großes Hallo., Frau Herbich jubelt »Herbert!«, Herbert jodelt »Gewonnen!«, und jetzt begreif ich das erst! In dem Haufen sind die Weihnachtsgeschenke der Herrschaften verbuddelt! Und die Kinder müssen die – unglaublich. Aber so ist es. Frau Herbich bekommt das Diamantarmband geschenkt, das Herberts Sekretärin zu popelig war.
    Und das Ganze erleben wir noch siebzehn Mal. Immer dasselbe. Ein Kind gräbt es aus, der Alte entpackt es, nischt wie Schmuck

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