Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
Vom Netzwerk:
italienischem Marmor, für 9.999 Euro angeliefert bis zur Bordsteinkante, „Osterrausch – Rammeln wie die Karnickel“, ein neuartiges Potenzmittel auf pflanzlicher Basis, nicht zu vergessen „Ostergrüße, von Literaturnobelpreisträgern handgedichtet, individuell und bei Abnahme von dreien zum Sonderpreis von 12,99“. Hm, merkwürdig.
    Gar nicht merkwürdig, wäre mein Französisch besser gewesen. Denn als ich „Pacques“ in die Suchmaschine fütterte, spuckte sie als ersten Eintrag einen Link zum Lexikon Deutsch-Französisch aus und ich lernte, „Pacques“ heiße „Ostern“. Borsig, der mir interessiert über die Schultern sah, pfiff pfiffig und meinte: „Da haben wir beide wieder was gelernt. Und was bedeutet das?“
    Woher sollte ich das wissen? Ein französischer Hans-Peter Ostern verkaufte Waren ("marchandises") oder kaufte sie oder beides, vielleicht von Gebhardt und Lonig, die ihm die Plüschosterhasen über allerlei kaufmännische Umwege (imaginäre Adressen von Abnehmern) zukommen ließen, auch ein Honorarkonsul der Osterinseln war in die Sache verwickelt und ein jetzt Toter hatte, als er auf einer Wiese Osterglocken für seine Liebste pflückte, einen Anfall von guter Laune bekommen. Ein anderer, Georg Weber, war verschwunden, seine Schwester Ziel eines Mordanschlags geworden, dem wieder ein anderer, Dr. Habicht, irrtümlich zum Opfer gefallen war, und ein dritter anderer, Herr Honig, verkleidete sich als Mädel und schüttelte potentielle Verfolger – mich – mit roher Gewalt ab. Schweigen wir ganz von Lydia Gebhardt, schweigen wir noch mehr von der nächtlichen Szene, die ich beobachtet hatte und bei der Honigs Nase gebrochen worden war, schweigen wir überhaupt von Regitz, der irgendetwas wusste und mit irgendjemandem verhandelte.
    Also schwiegen wir, Borsig und ich. Der gute Mann saß wohlgenährt auf meinem Küchenstuhl und dachte an Anja oder wahlweise seinen Job als Chauffeur bei Bruggink. Ersteres erhitzte sein Gemüt, letzteres kühlte es ab, das ergab, addiert und mit zwei dividiert, lau, und so fühlte ich mich auch. Lau.
     
     
    131
    Borsig versprach, an Anja „dranzubleiben“, was ich ihm sofort glaubte. Konnte ja sein, dass sich Regitz bei ihr meldete, ich ging sogar davon aus. Sollte dies bis Neujahr nicht geschehen sein, würde ich selbst in die Bretagne fahren, um Regitzens Geschäfte mit dem Herrn Oster unter die Lupe zu nehmen.
    Froh darüber, Borsig aus meiner Wohnung komplimentiert zu haben, ohne ihm auch noch ein Abendessen spendieren zu müssen – es war aber eh kein Fetzen Lebensmittel mehr im Haus -, rief ich bei Hermine an, erreichte sie jedoch nicht. Es dämmerte. Ich suchte Pamela’s Imbiss auf, einen um eine mobile Würstchenbraterei gezimmerten Bretterverschlag, kaufte mir Pommes mit Mayo und eine Frikadelle, die wie ein UFO aussah und von genauso unbekannten Wesen bevölkert war, wie ich fürchtete, aber tapfer ignorierte. Ich drängelte mich an den intaktesten der drei Heizpilze, wärmte mich leidlich, aß. Pamela, die eigentlich Patrick heißt, ließ zwei tätowierte Anker auf ihrem / seinem nackten Bizeps spielen, sie schaukelten wie auf stürmisch bewegten Wogen, und trällerte ein Lied, den „Mäckie Messer“ aus der Dreigroschenoper. Nur war der Text nicht von Brecht. „Und das AK-W hat Zähne, doch die trägts nicht im Gesicht. Die hats alle im Reaktor und die sieht man leider nicht.“ Ich applaudierte und erhielt eine Currywurst gratis.
    Es war der Anblick von Pamela / Patrick, der mir den zur Frau gewordenen Herrn Honig ins Gedächtnis zurückbrachte. Ich stromerte durch die Straßen, Schnee war vorausgesagt worden, und spürte ansteigende Wut. Zur gleichen Zeit dachte ich an Hermine und spürte etwas anderes, ebenfalls ansteigend. Sagte mir: Das ist ganz normal, Moritz. Der Mensch pendelt zwischen Aggression und Lust, zwei Triebe, die auf natürliche Weise miteinander verbunden sind, zwei kommunizierende Röhren, um es streng wissenschaftlich auszudrücken. Die Lust auf körperliche Gewalt sinkt in dem Maße, wie die Lust auf körperliches Liebkosen wächst und vice versa. Wenn du Honig ein paar in die Fresse haust, wird die dadurch freigesetzte Triebenergie der armen Hermine entzogen (der Stab kommt dabei quasi in ein Abklingbecken, wo er vor sich hinkühlen kann). Das könnte man jetzt in eine mathematische Formel gießen, wenn ich Einstein wäre und furchtbar viel Zeit hätte, denn am Ende und im Grunde ist alles Biophysik.
    So sinnierend,

Weitere Kostenlose Bücher