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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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und dann gleich noch einmal, summte Beethoven mit, der alle Wände durchdrang, kämmte mein Haupthaar mit der Inbrunst eines manischen Friseurs und kam so schließlich nach geschätzten fünfzehn Minuten zu meinem Gastgeber zurück, den ich, wie erhofft, eingenickt auf dem Sofa vorfand. Gut so.
    Im Treppenhaus tastete ich mich durch die Dunkelheit nach oben, Stufe für Stufe. Dem Beethoven hatte ich vorher den Saft abgedreht, Raffke hatte den Entzug der kulturellen Hintergrundberieselung mit der Kraftlosigkeit eines im Tiefschlaf Gefangenen aufgenommen, sich halb um die eigene Achse gedreht und damit begonnen, die symphonische Tonkunst durch das Folkloristische eigenen Schnarchens zu ersetzen. Auch gut so.
    Ich legte ein Ohr an Honigs Wohnungstür und hörte nichts. Wenn jetzt der Schlüssel von innen steckte, hätte ich ein Problem. Ich führte mein Exemplar vorsichtig ins Schloss, spürte keinen Widerstand, die Tür ließ sich anstandslos öffnen, es war hinter ihr noch finsterer als vor ihr. Ich trat ein.
     
     
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    Etwas Weiches berührte meine Füße, als ich vor einer Tür angekommen war, hinter der sich ein heftiges, aber regelmäßiges Schnaufen hören ließ, die weichgespülte Variante des wilden Raffkeschen Schnarchens, könnte man sagen. Ich bückte mich vorsichtig und griff in dünnen Stoff, Seide oder Chiffon oder Nylon oder so, Frauenkleidung für gewisse Stunden und Erregungen halt. Besonders pfleglich ging Herr Honig mit seinem erotischen Fummel jedenfalls nicht um.
    In mir war ein irrer Plan gereift, der das Streben nach Erkenntnis mit dem Rachereflex vereinte und sehr archaisch war, um nicht zu sagen scheißbrutal. Bedenken meines Restgewissens wurden resolut niederargumentiert. Später, später, liebes Gewissen, jetzt ziehen wir das hammermäßig durch und wenn dann alles passiert ist, gründen wir eine Ethikkommission, die darüber räsonieren darf, ob Moritz Klein ein grobschlächtiges Monster ist oder doch nur das gewöhnliche Arschloch. Ethikkommissionen sind ja in. Ob für oder wider Atomkraft oder bei der Beantwortung der Frage, ob die Kombination von blauen Hosen und grünen Westen Augenkrebs verursacht: Man setzt ein paar Respektspersonen – darunter mindestens drei katholische Bischöfe, vier ausgemusterte Politiker und eine busenoperierte Schauspielerin mit Migrationshintergrund – an einen runden Tisch und lässt sie nachdenken. Bringt nichts, kommt zu spät, hat keine Konsequenzen – aber beruhigt ungemein.
    Ich öffnete so leise wie möglich die Tür zu Honigs Schlafzimmer. Läge er mit seiner handgreiflichen Begleiterin im Bett, hätte ich ein Problem und müsste von meinem Plan Abstand nehmen. Fände ich ihn alleine vor, würde sich ein anderes, nicht weniger heikles Problem stellen. Denn um meinen Plan auszuführen, kamen mir Honigs Dessous zwar zupass, etwas Entscheidendes aber fehlte: Chloroform. Und das hat folgenden Grund:
    Wir alle kennen ja diesen Krimi eines leidlich erfolgreichen Autors, in dem „das Böse“ seine Opfer nächtens überfällt, chloroformiert und dann an ihre Betten fesselt. Augen und Ohren sind mit Tape abgeklebt, geatmet wird nur durch die Nase, was natürlich blöde ist, wenn die Nasenlöcher zu Verstopfung neigen. Dem Autor gelingt es in hervorragender Weise (wirklich, das ist wissenschaftlich belegt!), die Todesangst und überhaupt die Gedanken der so Gequälten in gutes Deutsch zu bringen, ja es ist beinahe literarisch. Ein Mensch in einer solchen Situation tut alles, sagt alles. Und genau in diese Verlegenheit wollte ich Honig bringen. Mit seinem Fummel – es war ein stabiler Unterrock dabei, ein ebenso stabiler Büstenhalter, ein Höschen, Strapse (sehr gut) und eine Strumpfhose – ans Bett fesseln (hoffentlich schläft der Typ in einem Bett mit Pfosten und nicht in so einem modischen Futon), vorher eben chloroformieren, was aber, wie schon erwähnt, nicht möglich war. Nun, mir würde etwas anderes einfallen.
    Ich betrat Honigs Schlafzimmer, gewöhnte mich an die Dunkelheit, lauschte. Kein Zweifel, hier übte sich lediglich eine einzige Person in gemäßigtem Schnarchen, was mich sehr beruhigte. Schritt für Schritt ging ich auf Zehenspitzen, dabei fiel mir ein, dass Honigs Nase ja schon lädiert war und ihm deshalb das Atmen schwer fallen würde. Das passte genau und würde mir sehr viel Zeit ersparen. Ich tastete dorthin, wo ich den Nachttisch mit der entsprechenden Lampe vermutete. Ich fand sie, ich fand sogar den Schalter, ich machte

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