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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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groß.«
     Thietmar nickte zufrieden und blickte mit ausgebreiteten Armen zur Decke empor, um sich die Größe besser vorstellen zu können und dachte dabei: Ob da oben, irgendwo in der Höhe, wohl noch die Knie der Riesin Platz gefunden hätten?
     »Also«, erzählte Starislav weiter, als der Knabe vorerst zufrieden schien, »und dieses Riesenmädchen hatte sich in einen prächtigen Riesenjungen verliebt. Nun war es aber so, dass der vornehme Jüngling, aus dem edlen Geschlecht der Riesen, am anderen Ufer der Feisneck wohnte.«
     »War ihr Geliebter ebenso groß?«
     »Nein, nein, der war noch mindestens dreißig Fuß größer als das Mädchen.«
     Thietmar, der diese Geschichte schon Dutzende Male gehört hatte, überlegte kurz und bestätigte die Angabe: »Stimmt genau!«
     Starislav seufzte tief.
     »Da es nun aber nicht anders ging, führte der kürzeste Weg zum Treffpunkt der beiden immer quer durch den See. Und wenn das Mädchen so schnell wie möglich zu ihrem Geliebten wollte, dann blieb ihr nichts anderes übrig, als mitten durch den See zu waten. Der Rocksaum des Riesenmädchens wurde natürlich immer an der tiefsten Stelle nass, wenn sie durch das Wasser schritt.«
     »Das war bestimmt ein sehr teurer Rock, den sie anhatte, weil er ja auch sehr groß sein musste«, vermutete der kleine Junge.
     »Oh ja«, bestätigte der Greis mit einer wahren Engelsgeduld, »mindestens zwanzig große Schiffssegel mussten für Rock und Schürze herhalten. Fünf Dutzend Zwerge waren dann einen ganzen Sommer und einen ganzen Winter lang damit beschäftigt, die gewaltige Tuchmenge zu verarbeiten. Und für das Zusammennähen der Säume verwendeten sie ein Garn, das fast so dick wie ein Finger war.«
     Thietmar betrachte nachdenklich seine kleine Hand.
     »Dann kann der Nähfaden ja doch gar nicht so dick gewesen sein, wie ich dachte.«
     »Nicht so dünn wie Eure Finger«, schmunzelte der Alte über die kindlichen Gedanken. »Schaut her«, rief er lachend und hielt seinen Zeigefinger in die Höhe. »Wäret Ihr mit diesen Fadenstärken zufrieden?«
     Thietmar betrachtete abschätzend die große, schwielige Hand des Greises und versteckte schnell seine eigenen schmalen Finger hinter dem Rücken.
     »Ja, das ist gut so«, nickte er.
     »Rock und Schürze des edlen Riesenmädchens waren aber nicht nur aus festem Tuch geschneidert«, erzählte Starislav schließlich weiter, »sondern wurden auch von unzähligen Goldfäden durchwirkt. Das Zwergenvolk, welches damals an der Feisneck wohnte, brauchte abermals ein ganzes Jahr, um aus meilenlangen Golddrähten die herrlichsten Muster zu sticken.«
     Thietmars Augen leuchteten. Dies war eindeutig eine seiner Lieblingsgeschichten, eine von jenen, die er gar nicht oft genug hören konnte. Nur war der gute alte Stari leider schon etwas vergesslich geworden, sodass die vielen Wiederholungen manchmal leicht voneinander abwichen.
    Dies war aber nicht weiter schlimm, denn Thietmar besaß ein hervorragendes Gedächtnis und würde seinen alten Geschichtenerzähler schon korrigieren, falls dieser wieder etwas durcheinanderbringen sollte.
     »Das Riesenmädchen war also eine prächtige Erscheinung, wenn sie so mit ihrer Größe von hundertfünfzig Fuß auf einem Berg stand und …«
     »Zweihundert Fuß!«
     »Ach ja richtig, zweihundert Fuß, und ihre Haare wie ein Meer aus Kupfer im Sturme wogten. Die hohen, unbändigen Winde liebten ihre Kleider und blähten sie zum Spaße oft wie die Sturmsegel eines großen Schiffes auf. In den goldenen Stickereien des Kleides aber, da spiegelte die Sonne gerne ihr strahlendes Antlitz wider, sodass ein Sterblicher vor lauter Funkeln und Glitzern leicht sein Augenlicht verlieren konnte.«
     »Hattest du nicht einst erzählt, dass ihr Geliebter, ich meine den Riesenjungen, vier Köpfe hatte?«
     Abermals musste der Alte kichern, denn dies war genau die Stelle, an welcher der Knabe selbst immer etwas durcheinanderbrachte.
     »Nicht vier Köpfe, junger Herr, vier Gesichter hatte der Riese.«
     »Aber wie kann jemand vier Gesichter haben, wenn er nur einen Kopf besitzt?«
     »Ach, das geht sehr wohl«, begann Starislav zu schwärmen, »wenn Ihr nur die Möglichkeit hättet, einmal in das Antlitz unseres großen Gottes Swarozyc zu schauen, dann wüsstet Ihr wohl, wie ein Riese mit vier Gesichtern aussehen kann.«
     »Ähm, … Swarozyc?«
     »Ja, so ist der Name meines höchsten Gottes, wie ich Euch schon oftmals erzählt hatte. Er ist der

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