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Die eisblaue Spur

Die eisblaue Spur

Titel: Die eisblaue Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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Wind und Schneefall tilgten alle
Spuren. 
    Die Situation entwickelte sich
so, dass Friðrikka die Tat gar nicht leugnen musste. Alle waren
davon überzeugt, dass Oddný Hildur sich im Unwetter
verlaufen hatte, und Suchtrupps wurden eingeteilt. Friðrikkas
merkwürdiges Verhalten schob man auf ihre Sorge um die
verschollene Freundin. Niemand hegte den Verdacht, dass sie etwas
mit der Sache zu tun hatte. Selbst die Blutspuren an der Hauswand,
die darauf zurückzuführen waren, dass sie sich beim
Schneeschaufeln abgestützt hatte, wurden nicht ernst genommen.
Niemandem kam es verdächtig vor, dass sie sich erbot, im
Umkreis der Häuser zu suchen. Als sie entdeckte, dass die
Leiche verschwunden war, erlitt sie einen Schock. Dann
überlegte sie, ob sie das Ganze vielleicht nur geträumt
hatte, ob Oddný Hildur sich wirklich verlaufen hatte,
anstatt durch hasserfüllte Schläge auf den Kopf zu
sterben. Friðrikka verstand überhaupt nichts mehr und
befand sich ständig am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Sie
beschloss, ihren Job zu kündigen, auch das verwunderte keinen
ihrer Kollegen. Alle nahmen an, dass der Verlust der Freundin sie
stark mitgenommen
hatte.         
    Im Grunde wirkte Friðrikka
immer noch verwirrt. Sie fragte, ob es möglich sei, dass
derjenige, der die Leiche entwendet hatte, Oddný Hildur
nicht auch umgebracht haben könnte. Ihr Realitätssinn
hatte gelitten. In der ersten Nacht im Camp hatte sie sich
hinausgeschlichen, um noch einmal nachzuschauen, ob Oddný
Hildurs Leiche wirklich nicht mehr unter dem Haus lag. Immer noch
plagten sie Zweifel, was eigentlich genau passiert war. Sie hatte
die Flutlichtanlage eingeschaltet, weil sie schreckliche Angst
hatte, dass derjenige, der die Leiche entfernt hatte,
zurückkehren und sie selbst überfallen
würde.
    Als das Verhör beendet war
und Dóra wieder zu den anderen gehen wollte, hielt
Friðrikka sie verzweifelt am Arm fest und fragte, was denn nun
aus ihrer Katze werden solle. Die Nachbarn, die sich um sie
kümmerten, würden sie bestimmt nicht haben wollen.
Dóra versicherte ihr, es würde sich schon ein gutes
Zuhause für das Tier finden lassen. Friðrikka schaute sie
flehend an. Vor Dóra saß eine Frau, die von der
Gesellschaft verurteilt werden und wohl niemals das bekommen
würde, wonach sie sich am meisten sehnte: Freundschaft und
Liebe.
    Dóra würde zwar kein
Eisbärjunges mit nach Hause bringen, aber eine Katze wäre
sicherlich genauso willkommen. »Ich nehme sie. Meine Tochter
wird sich gut um sie kümmern.«

Epilog
    20.MAI 2008
    Dóra legte auf und
starrte auf die Scheidungsunterlagen, die noch unterschrieben
werden mussten. Ein junges Paar hatte zu spät festgestellt,
dass es nicht zueinanderpasste, und besaß, wie so viele,
nichts als Schulden. Und merkwürdigerweise waren die Leute bei
der Aufteilung von Schulden viel pedantischer als bei der
Aufteilung von Wertsachen. Aber da man sich scheiden lässt,
weil man die Nähe des anderen nicht mehr ertragen kann,
einigten sie sich am Ende doch.
    Die Grönlandreise hatte der
Kanzlei keine Folgeaufträge von der Bank eingebracht. Aber es
wurde eine Einigung mit dem Bergbaukonzern erzielt: Bergtækni
durfte das Projekt weiterführen, die Versicherungssumme blieb
unangetastet. Dóra hoffte, dass ihr Bericht zumindest dazu
beigetragen hatte, aber es war auch durchaus möglich, dass die
Sache auf politischer Ebene geklärt worden war oder die
zeitweise Schließung des Geländes wegen
archäologischer Untersuchungen in der Höhle den Ausschlag
gegeben hatte. Der Bergbaukonzern, das Bauunternehmen und die Bank
hatten zwar eine Übereinkunft getroffen, aber die Menschen
blieben ratlos zurück, weil sie ihre Kollegen unter
schrecklichen Umständen verloren hatten. Zum Glück sollte
die Arbeit erst im Sommer wieder aufgenommen werden, so dass die
Mitarbeiter Zeit hatten, sich im Kreis von Freunden und Familie zu
erholen.
    Dóra hatte noch ein paar
Unannehmlichkeiten gehabt. Die grönländische
Gesundheitsbehörde hatte ihren großen, grünen
Koffer konfisziert und samt Inhalt vernichtet. Wegen der
Infektionsgefahr, man wollte kein Risiko eingehen. Dóras
Mitreisenden erging es genauso, aber die hatten ja vorausschauend
gepackt und verloren nur Unterwäsche und Fliespullis, bei
Dóra wurde hingegen jahrelange Arbeit zunichtegemacht: der
Erwerb schicker Klamotten, die nicht von modischen Strömungen
abhängig waren. Die Bank hatte zwar Schadenersatz geleistet,
aber Dóra brachte es nicht über

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