Die Eisläuferin
bin zuversichtlich. Wir hatten da ja schon unsere Wanderschuhe an und tragen beide dunkelblaue T-Shirts . Das muss reichen.« Sie zuckte leicht mit der rechten Augenbraue und fuhr fort: »Wer zahlt den Fahrer?«
Nun zuckte er mit der Augenbraue: »Ich habe das ermittelte |13| Entgelt bereits im Voraus privat entrichtet, wenn du das meinst.«
»Wir müssen das ordentlich und transparent regeln.«
»Und der Zeitplan? Bist du überzeugt, dass du mit den fünf Stunden Aufenthalt in Barcelona klarkommst?«
»Ich bin optimistisch, dass wir das schaffen können.« Sie war mit ihren Gedanken schon weiter und nahm nun den Taxifahrer ins Visier. Er hatte buschige Augenbrauen, kleine Augen, einen mürrischen Zug um den Mund, soweit sie das erkennen konnte. Ihr Misstrauen war ihr zuwider, der liebe Gott hatte sie leider mit keiner besonders luftigen Unbekümmertheit oder etwa einem Übermaß an Menschenvertrauen ausgestattet, denn er musste geahnt haben, was einmal aus ihr werden würde. Ihre Augen verengten sich prüfend, doch der Mann vorne links schien sich nicht beirren zu lassen, kein Blick in den Rückspiegel, kein Autogrammwunsch, offenbar auch kein Entführungsversuch, noch nicht einmal ein »Was ich Sie immer schon mal fragen wollte«. Dabei waren das genau genommen sogar die spannendsten Fragen. Und einige Fragen konnten ja so viel mehr aussagen als die Antworten darauf. Sie liebte gute Fragen. In ihrem Verbrauchermarkt, den sie immer noch regelmäßig höchstpersönlich besuchte, hatte eine Kundin an der Kasse einmal von ihr wissen wollen, ob es den italienischen Regierungschef im richtigen Leben wirklich gebe. Sie fand diese Frage äußerst interessant, es erleichterte den Umgang mit ihm fortan ungeheuerlich.
Nach etwa dreißig Minuten Fahrt bog das Taxi abrupt ab und fuhr auf eine Tankstelle zu. Der Fahrer tippte demonstrativ auf seinen fast leeren Tankanzeiger und löste den Anschnallgurt, noch bevor das Fahrzeug zum Stehen kam.
»Ich hol uns was Süßes.« Ihr Mann stieg fast zeitgleich mit dem Spanier aus.
|14| Sie kurbelte das Fenster herunter. Ein strenger Benzingeruch schlug ihr entgegen, aber sie steckte den Kopf trotzdem hinaus, schaute sich um. Außer der Tankstelle und einer verlassenen Baustelle gab es hier kein Haus weit und breit, noch nicht einmal ein weiteres Fahrzeug. Sie war allein. Gab es auf La Gomera eine Untergrundbewegung, eine autonome Szene, Umweltaktivisten? Sie lauschte in die Landschaft, nahm nichts Verdächtiges wahr, räusperte sich, legte die Hand auf den Türgriff, zog ihn vorsichtig an. Eigentlich wäre sie gern ausgestiegen, einfach so, sich ein wenig die Füße vertreten, ein paar Worte mit den Menschen wechseln, wenn sie welche fand. Aber jetzt stieg ihr Mann schon wieder zu. So schnell.
»Es wird heiß werden heute, ist draußen schon ganz drückend. Möchtest du eins?« Er hielt Ihr eine Tüte Lakritzbonbons hin.
»Das ist nichts Süßes, das ist Lakritze.« Sie schaute in die Tüte, guckte ratlos, griff dann doch hinein, nahm ein Bonbon und biss zu. Das Lutschen hatte sie sich abgewöhnt. Als der Fahrer wieder zustieg, war ihr Mund bereits leer. So ging es bis zum Hafen, wo die Fähre schon wartete.
Sie hatten relativ wenig Gepäck dabei, um sich schneller und unauffälliger bewegen zu können. Angesichts der vielen Touristen, die sich bereits jetzt an Bord einfanden, wäre mehr, sehr viel mehr Gepäck allerdings unauffälliger gewesen. Es wurde geschleppt, geschoben, gezogen, dass die Füße vor lauter Transportgewicht keinen Halt mehr fanden in den Sandalen, und man mochte dabei eher an Auswanderung als an Urlaub denken.
Sie gelangte ans Oberdeck, wo es ruhiger war, und stellte ihre Reisetasche neben sich ab. Ihr Blick fiel auf eine Gruppe junger Mütter mit Kindern, die auf jemanden zu warten schienen. Eine wunderbare Kulisse war das, fand |15| sie, hier hatte sich jemand Mühe gegeben, und sie lief mit ausgestreckter Hand auf sie zu.
»Um Himmels willen, komm weg da! Was tust du?« Ihr Mann stürzte von hinten auf sie zu und konnte sie in letzter Minute zurückhalten. Sie brauchte einige Zeit, um wieder zu sich zu kommen. Es war ein Aussetzer gewesen, irgendjemand hatte plötzlich die CD »Nähe demonstrieren« eingelegt, und sie war einfach losgelaufen. Ein Fehler im System. Aber nun war es zu spät.
»Mama, was will die Frau da von uns?«
Sie wollte sich abwenden und über die Schulter rufen: »Oh, Entschuldigung, ich habe Sie verwechselt.« Aber auch dafür
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