Die Eisläuferin
spanischen Flughafenbediensteten erwarten, um Himmels willen! Und nun geh doch bitte weiter.«
Sie blieb stehen. »Keiner erkennt mich hier!« Sie riss sich das Käppi vom Kopf. »Siehst du? Was tue ich nicht alles, um der Politik ein Gesicht zu geben! Und jetzt will niemand reingucken!«
»Herrje, pass doch auf, deine Haare!«
»Das ist mir ganz egal. Über die ist schon alles geschrieben worden.«
Es summte.
»Chefin, ersuche Sie dringend um Standortangabe. WO SIND SIE? Bod«
Das war eine willkommene Ablenkung, und sie antwortete gleich:
»Die Frage stellt sich für mich anders. Wir haben
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heute so einiges, also uns selbst, auf den Weg gebracht. Und diesen Weg werden wir weitergehen. Wir haben noch keinen Standort. Es ist alles in Ordnung, vertrauen Sie mir. Gruß, die Ihrige«
»
Hat man Sie entführt? Bod«
»Nein, das würde niemand tun. Der Finanzhaushalt ist leer. Wir haben uns kurzerhand selbst entführt.«
Im Terminal für den Flug nach Barcelona ging es ihr zusehends besser. Die Touristenmassen lichteten sich, und die Spanier um sie herum wurden vom Kollegen regiert. Dafür trug sie keine Verantwortung.
Er betrachtete seine Frau aus den Augenwinkeln. Sie saß vornübergebeugt auf ihrem Sitz, versunken über ihrem Handy wie ein Teenager. Seit man ihr das mit den Textbausteinen erklärt hatte, kam sie nicht mehr los davon. Sie konnte immer noch nicht blind und unauffällig ihre SMS eintippen, hielt das Gerät mit beiden Händen fest, was ein wenig mühevoll aussah, obwohl es ihr keine Mühe bereitete.
Er war, das musste er zugeben, mehr denn je beunruhigt über ihre derzeitige Gemütsverfassung. Sie war doch vor dem Amt auch schon unbeaufsichtigt gereist. Er wusste nicht, warum sie jetzt einen solchen Staatsakt daraus machte. Gut, es war ein Unterschied, ob man morgens ins Institut oder in die Welt zu gehen hatte. Und trotzdem: Sie machte es ihm nicht immer leicht, ihr zu folgen, und das lag nicht an der Welt, sondern ein kleines bisschen auch an ihr, fand er. Er legte zu seiner eigenen Beruhigung seinen Arm um sie.
»Weißt du, der Flieger wird mit dir oder ohne dich fliegen. Und die Transsibirische Eisenbahn wird mit dir oder ohne dich fahren. Ist das irgendwie nicht auch ein beruhigendes Gefühl? Schalt doch einfach mal ab.«
Sie schien seine Worte überhört zu haben, war mit ihren |22| Gedanken schon wieder weiter: »Hier, guck mal.« Sie hielt ihm das Handydisplay gegen die Brillengläser. »Das Spiel kann beginnen. Herr Bodega rüstet sich bereits gegen den KGB, den Mossad, die CIA, Libyen, die internationale Drogenmafia, den britischen Geheimdienst. Köstlich.«
Er seufzte kaum hörbar auf.
Der Flug verlief unauffällig, auch wenn er hätte schwören können, dass sie sich gewünscht hätte, diskret erkannt zu werden – um sich anschließend in die First Class hinaufstufen zu lassen. In solchen Momenten durchschaute er sie immer noch recht gut. Zumindest nahm er das an.
|23| Nostalgisch reisen
Barcelona, 25 Grad Celsius, sonnig. Zumindest bekam man durch die Glasscheiben des Terminals eine Ahnung davon.
Fürst Wasili trat zu Anna Palawna heran, küsste ihr die Hand, wobei er ihr den Anblick seiner parfümierten, schimmernden Glatze darbot, und setzte sich dann in aller Seelenruhe auf einen Lehnensessel.
Das Handy summte wieder. Sie klappte das Buch zu und schaute zu ihrem Mann, der neben ihr eingeschlafen war, zu seinen Füßen ein Stapel Zeitungen.
»Chefin, ich werde jetzt den Sicherheitsapparat in Berlin informieren müssen. Bod«
»Ich verstehe Sie. Ich bin ganz auf Ihrer Seite. Aber wir machen das anders. Gruß, die Ihrige«
»Noch einmal: WO SIND SIE? Bod«
»Ich reite gerade mit Fürst Andrei die Truppenlinien ab. Gruß, die Ihrige«
»Wie? Bod«
»Mit Tolstoi, in Krieg und Frieden, Seite 228. Gruß, die Ihrige«
»Achten Sie auf die Aktivierung Ihres Krypto-Chips! Bod«
»Herr Bodega, wer bin ich denn? Natürlich tausche ich mich mit Ihnen verschlüsselt aus!«
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»Sie tun das aber mit Worten! Werden Sie mir jetzt endlich sagen, wohin die Reise geht? Bod«
»Kannst du nicht mit dem Getippe aufhören? Die Leute gucken ja schon.« Ihr Mann war wach geworden.
»Ich sage ganz klar, ich tue das alles für uns. Die SMS an und für sich ist eine sehr interessante, zeitsparende Form der Kommunikation, und außerdem muss ich dafür sorgen, dass Bodega keinen Unfug anstellt. Im Flieger muss ich das Gerät sowieso abstellen.«
»Eben. Vielleicht
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