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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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zu Slothrop, "Langsames Kriechen, Suburbane Vektoren! Was solln wir denn machen, Mensch, etwa schwimmen oder so 'n Scheiß?" "Ah, Myrtle ..." Slothrop nähert sich der goldschnutigen M. M. etwas zögernd, "äh, glaubst du, du könntest mal ..." Herr im Himmel, es ist die gleiche Leier, jeden Tag -wie Myrtle sich doch wünscht, daß dieser heulsusige Slothrop wenigstens ein einziges Mal mit diesem Wischiwaschigesülze aufhört und sich als Mann erweist! Sie steckt sich eine Zigarette an, läßt sie lässig aus einem Mundwinkel baumeln, streckt die gegenüberliegende Hüfte raus und seufzt: "Auf den Strahl", ganz erbittert schon über diesen Schleimer -
    Und Los! das Wunder ist getan, schon flitzen sie durch die Straßenkorridore der Raketenstadt wie eine Art langhalsiges Meeresungetüm. Kleine Kinder wimmeln ameisengleich auf den Bogengespinsten der Viadukte hoch über der Stadt, greisenbärti-ge Steinstürze, erstarrt mitten im Fall, wimmeln wie eine Springflut aus Kindern über die luftigen Geländer auf den freundlichen Rücken des glatten, stadtkreuzenden Ungeheuers. Sie wieseln über seine Oberfläche, hangeln sich von Fenster zu Fenster, viel zu grazil, als daß sie je den Halt verlieren könnten. Einige von ihnen sind natürlich Spione: dieses honiglockige kleine Püpp-chen in dem blaukarierten Schürzenkleid und den blauen Kniestrümpfen zum Beispiel, dort oben, unter dem Wasserspeier am Fenster, das Maximilian belauscht, der schwer zu trinken begonnen hat, seit das Gebäude unterwegs ist, und gerade eine lange Schmährede wider Marcel zum besten gibt, die er nur notdürftig als Versuch einer wissenschaftlichen Erörterung verkleidet, ob dieser Gallische Genius im wahren Sinn des Wortes eine "Seele" habe. Die junge Dame unterm Speier stenographiert alles mit. Sind schließlich wertvolle Daten für die psychologische Kriegführung. Erstmals wird deutlich, daß die 4 und ihre Vaterverschwörung nicht die ganze Welt sind. Ihr Kampf ist nicht der einzige, ja noch nicht mal der entscheidende. Tatsächlich gibt es nicht nur viele andere Kämpfe, es gibt auch Zuschauer, die sie verfolgen, ganz so wie Zuschauer das machen, ihrer Hunderttausende sind es, die in diesem schmutzig-gelben Amphitheater herumsitzen, Platz auf Platz und Reihe um Reihe, Ring um Ring, ein meilentiefer Sturz hinunter in die riesige Arena, gelbbraune Lichter, auf den oberen der steinernen Ränge verstreute Essensreste, zerkrümelte Kuchenstücke, Erdnußschalen, abgenagte Knochen, halbvolle Flaschen mit grüner oder orangeroter Limonade, Feuer in kleinen Windfängen, in Winkeln, wo Sitze herausgebrochen worden sind, flache Vertiefungen auf dem Stein, darin die Glut aus Kirschholz, auf der alte Frauen Eintöpfe aus aufgesammelten Resten, Krumen, knorpeligen Nahrungsklumpen in dünnen Bratpfannen voll blubberndem, grauem Ölwasser zusammenkochen, während sich die Gesichter ihrer Kinder um sie drängen, die auf die Mahlzeit warten, und der düstere junge Mann, der geleckte Messerheld, der jeden Sonntag draußen vor dem Tor auf dein Mädchen wartet, um sie in einen Park, in das Auto eines Fremden und zu einer Form von Liebe zu entführen, die du dir niemals vorstellen wirst, daneben im Wind steht, der seine Frisur verwirbelt und seinen Kopf vom Feuer abgewandt hält, die Kälte spürt, die Bergeskälte an seinen Schläfen und hoch unter seinem Kiefer ... neben anderen Feuern schwatzen die Frauen, reckt eine hin und wieder ihren Hals, um die Meilen zur Bühne hinunterzuspähen, ob nicht inzwischen eine neue Episode dran ist -Schwärme von Studenten eilen vorbei, schwarz wie Raben, die Mäntel lose über die Schultern geworfen, und verschwinden hinten in den dunklen Rängen, die traditionsgemäß von niemandem betreten werden (sie sind für die Ahnen reserviert), wo sich ihre Stimmen dämpfen, ohne dabei an Intensität zu verlieren, Bühnenstimmen, um guten oder doch zumindest akzeptablen Klang bemüht. Die Frauen lassen sich nicht stören, spielen Karten, rauchen, essen. Schau mal, ob du dir drüben am Feuer von Rose 'ne Decke leihen kannst, die Nacht wird kühl werden heute. He, und eine Packung Amis, wenn du schon rausgehst - und komm ja gleich wieder, hörst du? Natürlich stellt es sich heraus, daß der Zigarettenautomat niemand" anderer ist als unser Marcel, in einer seiner cleveren mechanischen Verkleidungen, und in einem der Zigarettenpäckchen ist eine Botschaft für einen der Zuschauer versteckt: "Ich bin überzeugt, Sie legen keinen Wert

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