Die Enden der Parabel
gibt keinen König-, sondern ein jeweils wechselndes Objekt, wie diese Strahlende Stunde.
Bing! rein platzt ein Kind mit wirbelndem Propellermütz-chen, drückt Slothrop eine neue Botschaft in die Hand und wirbelt wieder davon. "Die Strahlende Stunde ist gefangen! Wer sie besichtigen möchte, finde sich um 11 Uhr 30 an der angegebenen Adresse ein" - wie gerufen treibt am Himmel ein weißes Zifferblatt vorbei, hmm, nur noch 'ne halbe Stunde, um mein Rettungsteam zusammenzutrommeln. Zum Rettungsteam gehören Myrtle Miraculous, die gerade in einem kastanienbraunen Kleid mit breitgepolsterten Schultern und im Haar noch Lockenwicklern angeflogen kommt, sichtbar sauer, aus Morpheus' Armen gerissen worden zu sein... dann ein Neger mit Namen Maximilian, der in einem perlgrauen Zoot samt schottischem Cape, hochpomadisiertem Haar und messerdünnem Schnurrbart geradewegs von seinem "Tarn"-Job als weltläufiger Manager des Ooga-booga-Clubs hereinzoomt, in dem die Beacon-Street-Aristokraten allnächtlich Tuchfühlung mit Roxbury- Kiffern und -Schlukkern aufnehmen, yeah, hi, Tyrone, da bin'ch! Hullo, Myrtle-Baby, hyeah, hyeah, hyeah! Wo brennt's denn dermaßn Junge? Er zupft seine Nelke zurecht, sieht sich im Raum um, alle sind zur Stelle jetzt bis auf diesen Mar-cel, aber horch! die vertraute Spieldosenweise, ja, es ist die süß-altväterliche Stephen-Foster-Melo-dei, derauf dem Fuß Marcel folgt, herein durch die Balkontür, ein hundertjähriger mechanischer Schachautomat, zur Zeit des Zweiten Kaiserreichs für den berühmten Zauberkünstler Ro-bert-Houdin gefertigt, von Angesicht ein äußerst ernsthaft dreinblickendes französisches Flüchtlingsbübchen, komischer Haarschnitt, rund um die Ohren ein viertelzölliger Streifen nackte Plastikhaut und drumherum, den exakten Ohrenumriß nachzeichnend, fettschwarzes Brillantinehaar, dazu eine dick-randige Hornbrille, ziemlich distanzierte Sitten und eine unselig wörtliche Einstellung zu den Menschen (als Maximilian z. B. zum erstenmal fingerschnippend hi-deho! zur Tür reinkommt, den jungen Kunststoff-Ebonit-Metall-Marcel da sitzen sieht und ihn mit: "Hey, willsde mir nich die Flosse geben, Mensch?" begrüßt - ja, da verpaßt ihm Marcel nicht nur 'ne ziemlich trockene Nachhilfestunde in Sachen "Flossen", Flossen in ihren sämtlichen Implikationen, nein, das ist nur das Vorspiel, als nächstes kommt nämlich eine längere Abhandlung zum Begriff des "Gebens", was auch geraume Zeit in Anspruch nimmt, und schließlich geht er unverdrossen den Komplex "Mensch" an, was ein ziemlich unübersichtliches Thema ist. Tatsächlich ist Marcel bis heute noch nicht annähernd damit fertig). Trotz solcher Eigenheiten hat seine exquisite 19.-
Jahrhundert-Kopfarbeit - die menschliche Kunstfertigkeit, die sich darin verbirgt und die spurlos verlorengegangen ist, verloren wie die Dronten - den Verwirrten Vieren in ihren zahllosen Scharmützeln mit der Väterlichen Gefahr bereits gute Dienste geleistet.
Wo aber in seinem Inneren verbirgt sich der zwergenhafte Großmeister, der kleine Johann Allgaier? Wo ist der Panto-graph, wo sind die Magneten? Nirgends. Marcel ist ein wirklicher mechanischer Schachspieler. In seinem Inneren gibt's keine Mogeleien, die ihm einen Anstrich von Menschlichkeit verliehen. In der Tat hat jeder der W eine besondere Begabung, die gleichzeitig sein besonderer Makel ist, ihn ungeeignet macht für ein menschliches Leben. Myrtle Miraculous ist darauf spezialisiert, Wunder zu vollbringen. Erstaunliche Bravourstücke, völlig undenkbar für Menschen. Sie hat den Respekt vor Menschen verloren, findet sie plump, fehlerbehaftet, will sie ja lieben, aber Liebe ist das einzige Wunder, das sie nicht wirken kann. Liebe bleibt ihr für immer versagt. Die anderen aus ihrer eigenen Kaste sind entweder schwul, fanatische Law-and-Order-Propheten, abgefahren auf merkwürdige religiöse Trips, oder können Reinfälle so schlecht ertragen wie sie selber, und obwohl Freundinnen wie Mary Marvel oder Wonder Woman sie ständig zu Parties einladen, um dort geeignete Männer zu treffen, weiß Myrtle insgeheim, daß alles keinen Sinn hat... Was Maximilian betrifft, so hat er ein Naturgefühl für Rhythmus, will sagen alle Rhythmen, bis einschließlich der kosmischen. So wird er seinen Fuß nie dorthin setzen, wo der bodenlose Schacht gähnt oder von oben kreischend wie eine Bombe der Safe aus seinem hohen Fenster fällt. Er ist ein Lotse durch die schlimmsten Minenfelder dieser Erde, wenn wir nur bei
Weitere Kostenlose Bücher