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Die Entdeckung der Virtualität.

Die Entdeckung der Virtualität.

Titel: Die Entdeckung der Virtualität. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Bernd Flessner
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aber auch nur mir passieren... Eine Fliege im Raumschiff — eine Fliege! Smiga und Boerst werden platzen vor Lachen, wenn sie davon erfahren... Ich sehe sie direkt vor mir...! Es war das erstemal seit dem Start, daß er einen Gedanken an Boerst verschwendete, und auch jetzt blieb ihm keine Zeit, denn PAL — das war immer klarer zu erkennen — fiel immer mehr zurück. Nun flogen sie schon fünf Minuten zu dritt.
        AMU 27 an JO zwei, JO zwei bis Terraluna — Zwanzig Uhr sieben — Das Manöver mit dem Einbiegen auf den Parabolkurs Terraluna beginnen wir um zwanzig Uhr zehn — Kurs einhundertelf... Pirx las die Kurse vom Blatt ab. Die Schiffe antworteten. PAL war nun außer Sicht, man konnte ihn aber immer noch hören. Oder war es die Fliege? Auf einmal spaltete sich das Summen. Pirx rieb sich die Augen — tatsächlich! Es war nicht mehr eine Fliege, es waren zwei! Wo in aller Welt war die zweite hergekommen? Die machen mich fertig, dachte er seelenruhig.
       Seltsam... Die Erkenntnis, daß es sich nicht lohnte, zu kämpfen, hatte für Pirx etwas Angenehmes. Sie machen mich fertig, so oder so..., sagte er sich. Aber diese Resignation währte höchstens eine Sekunde. Ein Blick auf die Uhr trieb ihn zum Handeln. Der von ihm selbst bestimmte Zeitpunkt für den Beginn des Manövers war herangerückt, und er hatte noch nicht mal die Hände an den Hebeln.
       Die Plackerei der tausendfachen Übungen tat offenbar das Ihre. Blindlings ergriff er beide Knüppel, betastete den linken, dann den rechten, während er auf das Trajektometer starrte. Das Triebwerk dröhnte dumpf, ging über in ein Zischen. Er stöhnte auf — irgend etwas hatte ihn an der Stirn getroffen, dicht unter dem Schirm des Helms. Das Navigationsbuch! Es schwebte vor seinen Augen, nahm ihm die Sicht, er konnte es nicht abstreifen, denn er hatte keine Hand frei. In den Hörern summte und brodelte es, das Liebesleben der Fliegen auf dem Kalkulator war in vollem Gange. Einen Revolver müßte man haben, dachte er und fühlte, wie ihm das Navigationsbuch infolge der wachsenden Beschleunigung die Nase plattdrückte. Rasend vor Wut warf er den Kopf hin und her — er mußte das Trajektometer sehen! Das Buch, es wog annähernd drei Kilo, schlug krachend auf den Boden — immerhin betrug die Beschleunigung fast 4 g. Er bremste ein wenig, um sie in den Grenzen zu halten, die das Manöver erforderte. Als er die Beschleunigung bis auf 2 g gedrosselt hatte, rastete er die Riegel an den Hebeln ein. Den Fliegen scheint die Beschleunigung nichts auszumachen — nichts, aber auch gar nichts, dachte er. Ihnen bekommt das offensichtlich glänzend... Und so soll ich nun dreiundachtzig Minuten fliegen...! Er warf einen Blick auf den Radarschirm: Beide JO-Schiffe folgten ihm in einem Abstand, der auf etwa siebzig Kilometer angewachsen war. Kein Wunder, er war ja mehrere Sekunden mit 4 g geflogen und dadurch so weit vorgeschnellt. Macht nichts, dachte Pirx.
       Solange er mit Beschleunigung flog, hatte er ein wenig Muße. 2 g — das war gar nichts. Insgesamt wog er jetzt einhundertzweiundvierzig Kilogramm. Im Laborkarussell hatte er manchmal eine halbe Stunde lang 4 g aushalten müssen.
       Andererseits, versteht sich, waren auch diese 2 g nicht gerade angenehm. Hände, Beine — alles schien sich in Eisen verwandelt zu haben. Das Licht blendete ihn, er konnte nicht einmal den Kopf bewegen.
       Noch einmal überprüfte er die Lage der beiden Schiffe, die ihm folgten. Was mag Boerst wohl jetzt tun? fragte er sich. Er stellte sich das Gesicht des anderen vor, dieses Filmgesicht. Der hatte aber auch ein Kinn! Und dann die gerade Nase und die grauen, schillernden Augen... Eine Spicke hatte der bestimmt nicht nötig... Na ja, vorläufig brauche ich sie auch nicht... Das Summen in den Hörern wurde leiser. Beide Fliegen krochen an der Decke der Kapsel entlang, ihre Schatten streiften sein Gesicht, er zuckte zusammen, als er das merkte, und sah auf. An den Enden ihrer schwarzen Beine hatten sie teigartige Erweiterungen, ihre Flügel glänzten metallisch im Lichte der Lampen. Ekelhaft.
        ELAN acht Aresterra ruft im Dreieck Terraluna — Sechzehnter Quadrant, Kurs einhundertelf Komma sechs — Ihr habt mit mir konvergierenden Kurs - Elf Minuten, zweiunddreißig Sekunden — Bitte eigenen Kurs ändern Schalte auf Empfang.
       Das hat noch gefehlt! stöhnte er. Was muß sich dieser Narr einmischen! Sieht er nicht, daß ich in Formation fliege?
        AMU 27

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