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Die Entdeckung der Virtualität.

Die Entdeckung der Virtualität.

Titel: Die Entdeckung der Virtualität. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Bernd Flessner
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erregt, aber hatte er sich denn seit dem Start überhaupt schon beruhigt? Die Uhr war kaum zu sehen. Die Zifferblätter hatten ihre eigene Beleuchtung — auch das Radargerät. Der Strom war noch so stark, daß sich die Lichter und die Reserveleitungen noch nicht einschalteten, aber er war wiederum nicht so stark, daß es hell wurde. Noch vier Minuten — dann würden sich die Triebwerke ausschalten.
       Darum brauchte er sich nicht zu kümmern — der Automat des Reduktors würde das von selbst besorgen. Aber wie — Pirx lief es kalt über den Rücken —, wie konnte er bei Kurzschluß funktionieren?
       War das überhaupt dieselbe Leitung? Er war sich nicht sicher, bis ihm einfiel, daß es die Hauptsicherungen für die ganze Rakete und für sämtliche Leitungen waren. Die Atomsäule jedoch mußte ein eigenes Netz haben.
       Die Säule schon, aber nicht der Apparat. Er hatte ihn ja vorhin selbst eingestellt. Man müßte ihn also abschalten... Oder nicht? Vielleicht würde es dennoch gehen...
       Die Konstrukteure hatten mit allem gerechnet, nur nicht damit, daß eine Fliege in den Steuerraum gelangen, daß der Deckel herunterfallen und ein Kurzschluß entstehen könnte.
       Die Lichter flackerten ununterbrochen. Ich muß irgend etwas tun! sagte sich Pirx. Aber was? Ganz einfach — man brauchte nur den Hauptschalter umzuwerfen, der hinter dem Sitz unter dem Fußboden angebracht war. Der würde die Hauptleitungen ausschalten und die Notleitungen betätigen. Dann wäre alles in Ordnung... Eigentlich ist sie gar nicht so schlecht konstruiert, die Rakete... Man hat doch so manches bedacht und für die nötige Sicherheit gesorgt.
       Er hätte gern gewußt, ob auch Boerst gleich darauf gekommen wäre. Ja, wahrscheinlich, das war zu befürchten. Vielleicht sogar... Himmel, nur noch zwei Minuten! Das Manöver ist nicht mehr zu schaffen... Er sprang auf, er hatte die anderen auf den Tod vergessen!
       Eine Weile überlegte er mit geschlossenen Augen.
        AMU 27, Leitrakete Terraluna an JO zwei, JO zwei bis — Habe Kurzschluß im Steuerraum — Führe Einbiegemanöver auf zeitweilig feste Umlaufbahn über dem Sonnenäquator des Mondes mit Verspätung von... unbestimmter Dauer durch — Vollendet das Manöver selbst in der festgesetzten Frist — Empfang.
        JO bis an führenden AMU 27 Terraluna - Führe Kom plexmanöver mit JO zwei durch, um über Äquatorzone auf zeitweilig feste Umlaufbahn zu gelangen — Hast neunzehn Minuten Zeit bis zur Scheibe — Erfolg, Erfolg — Ende.
       Pirx hatte kaum zugehört. Er löste das Kabel der Radiophonie, die Sauerstoffschlange und das zweite kleine Kabel — die Gurte hatte er bereits aufgeknöpft. Als er aufstand, flammte der Automat des Reduktors rubinrot auf; die ganze Kapsel tauchte aus der Finsternis empor, dann versank sie wieder in dem trüben, orangeroten Licht der verminderten Spannung. Die Triebwerke schalteten sich nicht aus. Das rote Licht starrte ihn aus dem Halbdunkel an, als wollte es ihn um Rat fragen. Er hörte einen Brummton in regelmäßigen Abständen — das Warnsignal. Der Reduktor konnte die Triebwerke nicht automatisch abschalten.
       Pirx sprang taumelnd hinter den Sitz. Der Schalthebel steckte in einer Kassette, die in den Fußboden eingelassen war — sie war verschlossen. Verschlossen, jawohl. Er zerrte an dem Deckel, aber er ließ nicht locker. Wo ist der Schlüssel? überlegte er.
    Der Schlüssel war nicht zu finden. Pirx rüttelte noch einmal an dem Deckel — vergebens. Er sprang auf und starrte blind vor sich hin. Der Mond auf den vorderen Schirmen war nicht mehr silbern, sondern weiß, ein gigantischer Mond, weiß wie Bergschnee. Die gezackten Schatten der Krater huschten über die Scheibe. Der Radarhöhenmesser meldete sich — arbeitete er schon lange? Er tickte regelmäßig, kleine grüne Ziffern sprangen aus dem Halbdunkel: einundzwanzigtausend Kilometer Entfernung.
       Das Licht flackerte ununterbrochen, die Sicherung schaltete regelmäßig den Strom aus. Auch wenn es erlosch, wurde es nicht völlig dunkel — der gespenstische Schein des Mondes füllte die Kapsel aus. Nur wenn die trüben Lampen aufblitzten, schien das Mondlicht schwächer zu werden.
       Das Schiff flog geradeaus, ständig geradeaus, die Geschwindigkeit erhöhte sich bei der restlichen Beschleunigung von 0,2 g noch immer, und gleichzeitig wuchs die Anziehungskraft des Mondes. Was tun? Was tun? fragte sich Pirx verzweifelt. Er sprang

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