Die Entdeckung der Virtualität.
eben Cyberspace ist. Diese Frage, deren Beantwortung dem Leser überlassen bleibt, hat übrigens auch Lems amerikanischer Kollege Philip K. Dick in seinem 1964 entstandenen Roman LSD-Astr onauten, also ebenfalls zwanzig Jahre vor Gibsons Ne uromancer, klar und bis heute verbindlich gestellt: »Ist nicht eine elende Wirklichkeit besser als die interessanteste Illusion?« (Dick 1971, 144)
Literatur
Baudrillard, Jean: Der symbolische Tausch und der Tod,
München 1982
Coy, Wolfgang: Industrieroboter. Zur Archäologie der
zweiten Schöpfung, Berlin 1985
Dick, Philip K.: LSD-Astronauten, Frankfurt a. M. 1971
(USA 1964)
Gibson, William: Neuromancer, München 1987 (USA
1984)
Glaser, Peter: Das Innere der Wir-Maschine, in: Manfred
Waffender (Hrsg.): Cyberspace. Ausflüge in virtuelle
Wirklichkeiten, Reinbek bei Hamburg 1991
Kamper, Dietmar: Symbolischer Tausch oder Die
Fabrikation von Ungeheuern, in: Information
Philosophie 3/1987
Lanier, Jaron: Was heißt »virtuelle Realität«? Ein
Interview mit Jaron Lanier, in: Manfred Waffender
(Hrsg.): Cyberspace. Ausflüge in virtuelle
Wirklichkeiten, Reinbek bei Hamburg 1991
Lem, Stanislaw: Nacht und Schimmel, Frankfurt a. M.
1971 (Krakow 1969)
Lem, Stanislaw: Der futurologische Kongreß, Frankfurt a.
M. 1974 (Warschau 1968)
Lem, Stanislaw: Transfer, Frankfurt a. M. 1976 (Krakow
1961)
Lem, Stanislaw: Die Jagd. Neue Geschichten des Piloten
Pirx, Frankfurt a.M. 1977 (Krakow 1959, 1968)
Lem, Stanislaw: Summa technologiae, Frankfurt a. M.
1981 a (Krakow 1964)
Lem, Stanislaw: Terminus und andere Geschichten des
Piloten Pirx, Frankfurt a.M. 1981 b (Krakow 1959,
1961, 1963, 1968)
Test
»Kadett Pirx!«
Eselswieses Stimme riß ihn aus seinen Träumen. Er hatte sich gerade vorgestellt, in dem Uhrtäschchen seiner alten Zivilhose unten im Schrank stecke noch ein Zweikronenstück. Eine klingende silberne Münze, längst vergessen. Vor einer Weile war er noch sicher gewesen, daß da nichts war, höchstens eine alte Postquittung, aber nach und nach nahm die Idee Gestalt an, daß die Münze dort sein konnte. Als Eselswiese ihn beim Namen rief, stand es für ihn fest, daß er das runde Geldstück deutlich zwischen den Fingern fühlte und sah, wie es sich in der kleinen Tasche abzeichnete. Ich könnte ins Kino gehen und würde dann immer noch eine halbe Krone übrigbehalten, dachte er. Oder nur zur Wochenschau, dann blieben mir sogar anderthalb Kronen. Wenn ich eine Krone zurücklege, kann ich für den Rest den Automaten spielen lassen. Wer weiß, vielleicht spuckt er mir pausenlos Kleingeld in die hingehaltene Hand — so viel, daß ich es kaum in den Taschen unterbringen kann ... Ich würde nur immer die Hand hinhalten, nur immer hinhalten... Hatte nicht Smiga so etwas erlebt? Pirx beugte sich schon unter der Last des unverhofften Gewinns, da wurde er von Eselswiese unsanft geweckt.
Der Dozent verschränkte die Hände auf dem Rücken, verlagerte sein Gewicht auf das gesunde Bein und fragte: »Was täten Sie, Kadett, wenn Sie bei einem Patrouillenflug auf das Schiff eines fremden Planeten stießen?«
Pirx öffnete den Mund, als wollte er die darin enthaltene Antwort vertreiben. Er sah aus wie der letzte Mensch — der letzte Mensch auf Erden, der zu erklären wüßte, was er zu tun hat, wenn er Raketen von fremden Planeten begegnet.
»Ich würde näher heranfliegen«, sagte er mit dumpfer, merkwürdig rauher Stimme. Die Lehrgangsteilnehmer wurden still. Sie witterten eine willkommene Abwechslung.
»Sehr gut«, sagte Eselswiese väterlich, »aber was weiter?«
»Ich würde stoppen«, platzte Kadett Pirx heraus, denn er fühlte, daß er im Niemandsland umhertappte, weit vor der vordersten Linie seiner Kenntnisse. Fieberhaft durchsuchte er sein leeres Hirn nach Paragraphen für das Verhalten im Raum. Irgendwann muß ich mal was darüber gelesen haben, dachte er. Bescheiden senkte er den Blick und sah, daß Smiga ihm etwas vorsagen wollte — er bewegte dabei nur die Lippen. Pirx begriff und wiederholte laut, bevor ihm der Sinn der Worte klar wurde: »Ich würde mich ihnen vorstellen.«
Das Auditorium brüllte wie ein Mann. Eselswiese kämpfte eine Sekunde mit sich, lachte dann auch, wurde aber gleich wieder ernst.
»Kadett, Sie kommen morgen mit dem Navigationsbuch zu mir. Kadett Boerst!«
Pirx setzte sich auf den Stuhl, als sei der aus
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