Die Entscheidung
sein.«
»In Ordnung«, flüsterte Jenny. Plötzlich wusste sie, dass sie nichts tun konnte, nichts, außer ihm zu helfen, so gut sie es vermochte. Etwas in seinem Gesicht sagte ihr das – ein Friede, der sich darauf ausbreitete. Und sie würde diesen Frieden nicht stören. »Geh in deinen Traum, Julian.«
»Du machst mir keine Vorwürfe?«
»Ich mache dir keine Vorwürfe.«
»Was immer ich getan habe, ich habe dich geliebt«, sagte er. Er regte sich, dann fügte er hinzu: »Vielleicht wirst du manchmal von mir träumen, und das wird mir helfen, in meinen Traum zu kommen.«
»Das werde ich. Ich werde dich an einen Ort träumen, an dem es keine Schatten gibt, nur Licht.«
Da sah er ihr direkt in die Augen, und sie konnte erkennen, dass er keine Angst hatte.
»Nichts stirbt wirklich, solange es nicht vergessen wird«, sagte er.
Und dann schien sich ein blauer Nebel in seinen Augen zu sammeln und die Flamme zu verdecken.
»Geh in deinen Traum«, flüsterte Jenny. »Geh schnell, jetzt.«
Seine Brust war ganz still, und sie glaubte nicht, dass er sie gehört hatte. Und doch fing sie den zarten Hauch einer Antwort auf – nicht mit den Ohren, sondern mit dem Verstand.
»Dein Ring …«
Seine Hand, die auf seiner Brust gelegen hatte, glitt herunter, und Jenny sah den goldenen Ring dort liegen. Sie hob ihn auf.
Die Gravur auf der Innenseite hatte sich verändert. Die Worte waren nicht länger ein Zauber, der Jenny binden sollte: Ich weise alle zurück & wähle dich.
Stattdessen stand dort schlicht: Ich bin mein einziger Herr.
Julians Gestalt war plötzlich völlig leer, ohne die elementare Energie, die quecksilbrige Helligkeit. Jenny hielt immer noch seine Hand, aber mit einem Mal schien sie weniger körperlich. Sie umklammerte sie fester – bis ihre Finger auf ihre eigene Handfläche trafen.
Julians Körper löste sich in Nebel und Schatten auf. Einen Moment später waren auch diese verschwunden.
Einfach so. Wie Rauch, der aus einem Schornstein steigt.
Jenny sackte in sich zusammen.
Sie spürte, wie sich ihre Freunde um sie versammelten, erst zögerlich, dann immer schneller. Jenny spürte Toms Arme, und sie spürte, dass er zitterte.
Sie vergrub ihren Kopf an seiner Schulter und hielt ihn umfangen, während er sie in seinen Armen wiegte.
In Pennsylvania ging gerade die Sonne auf, während es daheim in Kalifornien erst drei Uhr morgens war. Doch darauf konnten sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Es gab eine Menge praktischer Dinge zu regeln, was Audrey und Michael tatkräftig in die Hand nahmen.
Audrey rief ihre Eltern an und bat sie, ihr Geld zu
schicken. Michael rief seinen Vater an und bat ihn, den anderen Eltern mitzuteilen, dass sie in Sicherheit waren.
Jenny war erleichtert, dass Michaels Vater die Aufgabe übernahm, Mr und Mrs Parker-Pearson beizubringen, dass Summer wieder nach Hause kam. Michaels Vater war zwar Science-Fiction-Schriftsteller und ein wenig merkwürdig – aber er war ein Erwachsener und daher glaubwürdig. Zumindest würden sie es ihm eher abnehmen als Jenny.
Sie konnte es kaum erwarten, das Gesicht von Summers kleinem Bruder zu sehen.
Und sie konnte es kaum erwarten, ihre Eltern wiederzusehen und ihren eigenen kleinen Bruder.
Aber es gab noch so viel mehr. Sie würde Angela, P. C.s Freundin, mitteilen müssen, dass P. C. tatsächlich tot war. Und sie würden sich wieder mit der Polizei auseinandersetzen und unmögliche Fragen beantworten müssen.
Doch es war noch zu früh, über all das nachdenken. Sie dachte immer noch an Julian.
Nichts stirbt wirklich, solange es nicht vergessen wird – und sie würde ihn niemals vergessen. Er würde immer einen Platz in ihren Gedanken haben. Seinetwegen hatte sich ihr Leben verändert, war empfänglicher geworden für die Schönheit der Welt. Für ihre – Sinnlichkeit. Julian war eine sehr sinnliche Person gewesen.
Die ungewöhnlichste Person, die sie jemals kennengelernt
hatte – und kennenlernen würde. Überraschend, abenteuerlich, wild – unfassbar.
Er war so vieles gewesen. Verführerisch wie Silber, tödlich wie eine Kobra und dahinter verletzlich wie ein verstörtes Kind.
Wie ein verstörtes Kind, das mit tödlicher Präzision um sich schlagen konnte, dachte Jenny, während sie beobachtete, wie Audrey langsam durchs Wohnzimmer ging und ein paar Dinge zurechtrückte. Er hatte Audrey schwer verletzt, und auch wenn er Summer nicht getötet hatte, so war er doch nah dran gewesen. Er hatte zugelassen, dass
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