Die Entscheidung der Hebamme
gedemütigt an der Wand kauerte und Ottos jüngerer Sohn auf Befehl seines Vaters die Nacht zur Buße mit ausgestreckten Armen liegend vor einem Altarkreuz verbrachte, schmiegten sich Christian und Marthe aneinander, ganz vom Glück ihrer lustvollen Umarmung erfüllt.
Zärtlich strich der Ritter über die Schenkel, die eben noch leidenschaftlich seinen Leib umklammert hatten, ließ seine Rechte dann über ihre Hüfte nach oben wandern, bis er ihre Wange ganz sanft berührte. Marthe hatte die Augen geschlossen und lächelte in sich hinein. Nicht zum ersten Mal dachte er: Es fehlt nicht viel, und sie würde vor Zufriedenheit schnurren wie eine Katze.
Er drehte sich auf die Seite, stützte den Kopf in die linke Hand und betrachtete verliebt die Frau, die sein Ein und Alles war. Auch nach zehn Jahren Ehe war er froh um jeden Tag, an dem sie an seiner Seite war. Er fühlte sich unvollständig, wenn sie getrennt waren, und das kam nur zu oft vor. Viel häufiger, als ihm lieb war, schickten ihn Ottos Befehle fort aus seinem Dorf.
Und jeder Tag konnte der letzte sein. Jeder von ihnen war dem Tod schon mehr als einmal nur knapp entronnen. Von heute auf morgen konnten eine gefährliche Krankheit, der Krieg oder die Heimtücke eines Feindes sie für immer auseinanderreißen.
Als hätte sie seine Gedanken erraten, schlug Marthe die Augen auf.
»Worüber grübelst du?«, fragte sie und strich mit der Hand durch sein schulterlanges dunkles Haar, wie sie es oft tat. Sie lächelte, aber es war ein trauriges Lächeln. Sie musste wohl wirklich seine Gedanken erraten haben, wieder einmal.
Also Schluss mit den düsteren Ahnungen!
»Weißt du, ich kann der Aussicht eine Menge abgewinnen, künftig nicht mehr mit Otto zu jedem Hoftag reiten zu müssen«, meinte er mit hintergründigem Lächeln. »So bleibt mir mehr Zeit für dich und unser großes, breites Bett zu Hause.«
Klatschend ließ er seine Hand auf ihren Schenkel fallen.
Sie reckte ihm scherzend den Zeigefinger entgegen. »Wollust ist Sünde! Pater Sebastian würde dir dafür sofort zehn Paternoster auferlegen … und mir noch vierzig Tage Fasten dazu.«
Die Erinnerung an den eifernden Pater, der es darauf anlegte, den Menschen im Dorf jedes bisschen Freude auszutreiben, ließ sie beide für einen Moment verstummen. Doch Marthe war genauso froh wie Christian, künftig für eine Zeit dem Leben bei Hofe entrinnen zu können, falls der Markgraf seinen jüngeren Sohn zu ihnen schickte. Sie fühlte sich nicht wohl in dieser Welt, hinter deren verlogener Höflichkeit auf Schritt und Tritt Fallgruben lauerten. In dieser Gesellschaft überkam sie jedes Mal das Gefühl, wie ein Seiltänzer über einem Abgrund zu balancieren oder unbemerkt durch ein Rudel wilder Tiere gehen zu müssen. Eine einzige falsche Bewegung, ein einziges falsches Wort, und sie würde ins Bodenlose stürzen oder von wilden Bestien zerrissen.
»Du weißt, dass du dir den künftigen Herrscher der Mark Meißen zum Feind machst, wenn Otto dir Dietrich als Knappen schickt?«, sagte sie nun ernst, und es klang eher wie eine Feststellung, nicht wie eine Frage.
Es war kein Geheimnis, dass der machthungrige Albrecht das ganze Erbe wollte, ohne auch nur das geringste Stück an seinen Bruder abtreten zu müssen. Jetzt fehlte nur noch ein einziges, letztes Wort seines Vaters, und Albrechts Plan würde aufgehen. Den Bruder nicht nur loszuwerden, sondern auch noch in tiefster Verzweiflung zu wissen, würde ihm die Klostermitgift für Dietrich wert sein.
Wenn Christian ihm diesen Triumph verdarb, kamen spätestens mit Ottos Tod gefährliche Zeiten auf ihn zu. Und nicht nur für ihn, sondern wahrscheinlich auch für seine Familie und seine Freunde.
Christian griff nach Marthes Händen. Sie waren eiskalt, obwohl ihre Haut gerade noch vor Leidenschaft geglüht hatte.
»Dietrich ist es wert.«
Dann ließ er sich auf den Rücken sinken und starrte auf einen unbestimmten Punkt. »Irgendwo in mir lebt die heimliche Hoffnung, dass mit Gottes Hilfe einmal Dietrich statt Albrecht die Mark Meißen regieren könnte. Darauf will ich ihn vorbereiten, so gut ich kann.«
Rotgüldigerz
Nachdem Markgraf Otto am Morgen seine Entscheidung verkündet hatte, befahl er Christian, dessen Gefolge und seinem Sohn, Magdeburg unverzüglich zu verlassen und nach Christiansdorf abzureisen.
Christian und Lukas schickten ihre beiden jungen Knappen Georg und David los, um zusammenzupacken, und Christian erklärte sich bereit, Dietrich in die
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