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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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geschlagen, mit aneinandergefesselten Händen und Füßen zu Reglosigkeit verurteilt, wurde sie vor einer aufgebrachten Menschenmenge in den Fluss geworfen. Ein Gottesurteil sollte zeigen, ob sie eine Hexe war, nachdem ein erfolgloser Medicus sie bezichtigt hatte, mit Dämonen im Bunde zu stehen.
    An einem ebenso heißen Sommertag, wie der heutige zu werden versprach, war sie verhaftet und gefoltert worden, bis schließlich ein gnadenloser Geistlicher die Probe auf dem kalten Wasser und damit ihren sicheren Tod forderte.
    Ihr Herz krampfte sich zusammen, und zum hundertsten oder tausendsten Mal durchlebte sie in der Erinnerung das Erlittene von neuem: die Todesangst, als die Fluten über ihr zusammenschlugen, während sie durch die Fesseln unbeweglich war, das Entsetzen, als das kalte Wasser in die nach Luft gierende Lunge drang, und den stechenden Schmerz, als sie ihr ungeborenes Kind verlor, nachdem sie, schon so gut wie tot, aus dem Wasser gezogen worden war.
    Jemand, den sie für einen Feind halten musste, hatte aus sehr persönlichen Gründen verhindert, dass sie ertränkt wurde. Wenig später befreite er sie aus dem Kerker und hielt sie bei sich verborgen, während alle anderen sie tot glaubten. An diese Geschichte und die später daraus folgenden, merkwürdigen Ereignisse wollte Marthe jetzt nicht denken. Aber seit dem Tag, als sie in den Fluten der Elbe gewaltsam sterben sollte, konnte sie kein Gewässer mehr sehen, das größer als ein Bächlein war, ohne von Grauen erfasst zu werden.
    Jetzt würgte das Entsetzen sie erneut, formte sich zu einem Schrei, den sie mit Mühe erstickte, um kein Aufsehen zu erregen.
    Sie musste diese Angst überwinden. Deshalb zwang Marthe sich, auf das sanft strudelnde Wasser zu blicken und dabei den Atem nicht länger anzuhalten.
    Es ist vorbei, sagte sie sich, es wird nicht wieder geschehen. Doch sie konnte nicht verhindern, dass ein Teil ihres Verstandes höhnte: Sicher, eine Hexenprobe im Fluss hast du nicht mehr zu befürchten, weil die Häscher dich beim nächsten Mal gleich verbrennen werden. Weil du beim nächsten Mal als rückfällig giltst und es keine Gnade geben wird.
    Solange sie die Frau des Burgvogtes war, durfte sich niemand ohne weiteres an ihr vergreifen. Doch von einem Tag zum anderen konnte Christian in Ungnade fallen – so wie damals, als er plötzlich zum Dieb und Gesetzlosen erklärt worden war. Genauso schnell und überraschend, wie sie beide, ein Geächteter und eine bettelarme, der Hexerei bezichtigte Wehmutter, später vom Markgrafen zu Edelfreien ernannt wurden. Wenn Otto starb, würde Albrecht als neuer Herrscher der Mark Meißen den Fürsprecher seines verhassten Bruders nicht im Amt lassen.
    Noch lebte der alte Markgraf, und trotz seiner fast sechzig Jahre deutete nichts auf einen baldigen Tod hin. Sollte sie sich nicht besser zuallererst vor dem tückischen Pater Sebastian in Acht nehmen, der ihr im Dorf auflauerte und nichts sehnlicher im Sinn hatte, als sie heidnischen Aberglaubens zu überführen?
    Wieder glaubte sie die Stimme jenes Eiferers zu hören, der damals am Elbufer in Meißen ihren Tod gefordert hatte, und das Johlen der begeisterten Menge.
    Jemand hinter ihr rief leise ihren Namen. Die junge Frau fuhr zusammen und drehte sich um.
    Es war Lukas, Christians Freund und Ritter. Er kannte Marthe lange und gut genug, um zu sehen, dass sie mit ihren Gedanken gerade durch ein besonders finsteres Tal gewandelt war. Wie so oft in solchen Momenten hätte er sie am liebsten in die Arme genommen und getröstet. Doch das durfte er nicht. Sie war die Frau seines besten Freundes. Obwohl er sie schon viel länger liebte.
    »Ich soll dich holen. Wir brechen auf«, sagte er leise und verzichtete diesmal auf die Scherze, die er sonst gerissen hätte.
    Marthe nickte ihm nur dankbar zu, zog trotz der Hitze ihren Umhang enger um die Schultern und folgte ihm, während sie versuchte, die Düsternis abzuschütteln, die von ihr Besitz ergriffen hatte. Sie musste endlich aufhören, sich vor jedem Schatten zu fürchten. Christian, Lukas und viele ihrer Freunde würden in den Krieg ziehen müssen, und niemand wusste, ob sie wiederkommen würden. Sie sollte jetzt besser den Menschen helfen, die ihr etwas bedeuteten, in den bevorstehenden blutigen Zeiten zu überleben.
     
    Schweigend beobachtete Christian seinen neuen Schützling, dessen Dankgebet kein Ende zu nehmen schien. Lichtstrahlen fielen wie durchsichtige, leuchtende Balken durch die Fenster des Domes und

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