Die Entscheidung liegt bei dir!
Gesellschaft so zu verändern, dass Selbstverantwortung ermutigt wird.
Dieser reflektierte Egoismus im Sinne der Rückbindung allen Handelns an das Individuum und der Wahrnehmung legitimer Eigeninteressen darf nicht mit »sozialer Kälte« oder blinder, bornierter Ich-Sucht verwechselt werden. Ersteres ist das Resultat eines werteorientierten Denkprozesses; Letzteres ist unreflektiert und resultiert aus Gelüsten und Launen. Er ist das genaue Gegenteil: Erst wenn ich die Wahl habe, erst wenn ich die soziale Bindung des Menschen nicht mehr als |235| von außen kommende Pflicht erlebe, sondern als Selbst-Verpflichtung, hat meine Entscheidung Kraft.
Noch einmal:
Nur Freiheit macht
verantwortlich.
Macht hat, wer macht
Die alte Weltordnung ist zusammengebrochen und mit ihr die Sicherheit alter Grenzen, Kulturen, Wertordnungen. Daraus resultiert ein Zuwachs an Wahlmöglichkeiten in allen Lebensbereichen, ein Übermaß des Möglichen. Freiheit ist das, was uns »droht«. Von ihr haben wir angesichts ihrer realen Unmöglichkeit in der Zeit des Kalten Krieges immer nur gerne geredet. Nun fürchten einige, dass sie Alltag wird. Sie reden dann vom »Werteverfall«. Aber das ist nur vorgeschoben. Tatsächlich regiert die Angst vor der Freiheit.
Globalisierung und Enttraditionalisierung stellen das Nationale infrage, öffnen die Märkte, fordern unser Zusammenleben heraus und befreien den Einzelnen aus den kulturellen Vorgaben von Herkunft und Üblichkeit. Diese Freiheit bringt aber auch Widersprüche und Unsicherheit mit sich. In Deutschland reagieren wir darauf vor allem mit Zögern und Mutlosigkeit. Wir erstarren in pessimistischem Festhaltenwollen. Wir übersetzen die Herausforderung in Bedrohung.
Aber Spiele werden im Kopf gewonnen. Durch unsere innere Einstellung. Lebe ich oder werde ich gelebt? Bin ich Beifahrer oder steuere ich mein Lebensauto? Bin ich Opfer der Umstände oder Herr meiner Möglichkeiten? Bin ich mächtig |236| oder ohnmächtig? Passiv oder aktiv? Solange Erziehung in den Familien um den Zentralwert »Sicherheit« gebaut wird, werden wir von jenem begeisternden Unternehmergeist nur träumen, der unser Land wieder nach vorn bringen kann. Wenn nach jedem Mehr an Sicherheit durch staatliche Fürsorge gierig gegriffen wird, der damit untrennbar verbundene Verlust an Freiheit aber übersehen oder achselzuckend in Kauf genommen wird, dann sind wir chancenlos. Und wer vom Staat alles haben will, darf nicht überrascht sein, wenn der Staat ihm alles nimmt.
Viele fordern Mut und Eigeninitiative und basteln gleichzeitig eifrig an ihrem Sicherheitscontainer. Auch jene, die von der politischen Bühne herunter »Mehr Selbstverantwortung!« rufen, fordern im selben Atemzug »Neue Vorbilder!«. Sie sind blind dafür, dass das niemals zusammen gehen kann. Ebenso unredlich sind jene, die sich für Autonomie und Selbstständigkeit aussprechen und dann Menschen dafür
belohnen
wollen, dass sie autonom und selbstständig handeln. Sie alle sehen nicht, dass sie mit der einen Hand umstoßen, was sie mit der anderen so ambitioniert aufbauen wollen.
Wenn wir aus dem Sicherheitscontainer herauswollen, wenn wir die alltägliche Unzufriedenheit hinter uns lassen wollen, wenn wir bereit sind, Neues zu wagen und eingefahrene Wege zu verlassen, dann müssen wir aus der lähmenden Zögerlichkeit, der dümpelnden Unentschiedenheit heraus. Dann sind Entscheidungen fällig – und die Entschiedenheit der Umsetzung. Dazu wiederum ist der Gedanke unserer unhintergehbaren Wahlfreiheit hilfreich:
Wir haben keine Wahl,
außer zu wählen.
|237| Wir können uns nicht
nicht
entscheiden. Wir müssen alle mit der paradoxen Situation umgehen lernen, dass wir in unserem Leben zunehmend Wahlmöglichkeiten vorfinden, zwischen denen uns
nicht
zu entscheiden uns nicht freisteht. Wir
müssen
wählen.
In unserer modernen Welt stehen in einem ganz normalen Leben viele Optionen zur Entscheidung an, die früher weitgehend von der Tradition, der Herkunft und der Gewohnheit eingeschränkt wurden. Wir können unser Leben heute nicht mehr entlang alter Gewohnheiten oder vorgegebener Muster leben.
Das gilt zunächst für unsere privaten Lebensumstände. Schon heute basteln sich die meisten Menschen ihr Leben permanent neu zusammen. Unser ganzes Leben wird mehr und mehr ein ständiges Anfangen und Herstellen, jeder Einzelne wird zum Selbstschöpfer und eigenen Lebensbildner. Schauen wir uns die real existierende Vielfalt der Lebens- und
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