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Die drei ??? und das Narbengesicht

Die drei ??? und das Narbengesicht

Titel: Die drei ??? und das Narbengesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. V. Carey
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Ein Blinder läuft davon
    »Wenn das nicht bald aufhört, schreie ich!« stieß die Frau im Regenmantel hervor.
    Eine Sturmbö fegte den Wilshire Boulevard entlang. Sie fuhr unter den Schirm der Frau und drehte ihn um. Dann stürmte sie weiter und warf klatschende Regentropfen gegen die Schaufensterscheiben.
    Bob Andrews, der an der Haltestelle auf den Bus wartete, glaubte schon, die Frau werde tatsächlich schreien. Sie blickte starr auf ihr übel zugerichtetes Regendach. Dann schaute sie Bob klagend an, als sei das seine Schuld. Und dann mußte sie mit einem Mal lachen.
    »Verflixt!« sagte sie. Sie stopfte den kaputten Schirm energisch in den Abfallkorb am Bordstein. »Geschieht mir ganz recht – was muß ich auch im berüchtigten kalifornischen Unwetter aus dem Haus.« Sie setzte sich auf die Bank neben dem Haltestellenschild.
    Bob fröstelte. Er zog gegen die Kälte die Schultern hoch. Das war der unwirtlichste April, den er je erlebt hatte. Sogar an diesem Ostermontagabend, kurz vor sechs, war es kalt und bei dem Unwetter fast schon dunkel. Bob war am frühen Nachmittag nach Santa Monica gefahren, um für seine Mutter ein Schnittmuster einzukaufen. Er hatte gern ein paar Stünden seiner Osterferien geopfert, um die Besorgung zu erledigen, aber die Warterei auf den Bus zog sich nun doch endlos hin. Ungeduldig rieb er zum -zigsten Mal seine Brillengläser trocken.
    »Ach, da kommt ja der Blinde«, sagte die Frau auf der Bank.
    Bob schaute die Straße entlang. Außer dem Geprassel des Regens auf dem Asphalt hörte er das rhythmische Pochen eines Stocks und das Rasseln von Münzen, die jemand in einer Blechdose schüttelte.
    »Der Ärmste«, sagte die Frau. »Man trifft ihn in letzter Zeit oft hier in der Gegend. Ich gebe ihm gern etwas, wenn ich ihn sehe.«
    Sie griff in ihre Handtasche, als der Blinde näherkam. Bob sah, daß der Mann ziemlich hager war und gebückt daher-kam. Er hatte den Kragen bis zu den Ohren hochgeklappt und eine Schirmmütze tief in die Stirn gezogen. Dunkle Brillengläser verbargen seine Augen, und ein säuberlich beschriftetes Schild war vorn an seine Windjacke geheftet.
    Es war mit Klarsichtfolie überzogen, und der Text hieß:
    »Gott segne Sie. Ich bin blind.«
    »Ekelhaftes Wetter heute abend«, sagte die Frau. Sie stand auf und ließ eine Münze in seine Sammelbüchse fallen.
    »Hmm!« sagte der Blinde. Sein weißer Stock stieß gegen den Bordstein und schlug dann an die Bank. Vorsichtig tastete er sich an die Bank heran und ließ sich darauf nieder.
    Bob und die Frau beobachteten den Blinden noch kurze Zeit, dann wandten sie sich ab und schauten auf die erleuchteten Fenster der Bank gegenüber.
    In der Bank war gerade saubergemacht worden. Die Schalter waren spiegelblank poliert, und die Stühle waren in Reih und Glied aufgestellt. Die Raumpfleger waren zu zweit – ein Mann mit Latzhose und langem, grauem Zottelhaar und eine kleine, mollige Frau. Sie warteten hinter der Tür zwischen den Bankräumen und der Vorhalle des Geschäftshauses, worin sich die Bank befand.
    Ein uniformierter Wachmann mit einem Schlüsselbund eilte aus dem, hinteren Bereich der Bank nach vorn. Er wechselte ein paar Worte mit den Raumpflegern, dann schloß er die Eingangstür zur Bank auf und ließ sie hinaus.
    Als die beiden die Vorhalle durchquerten und in einem Aufzug verschwanden, wandte sich Bob wieder dem blinden Mann zu. Er sah unter der Schirmmütze des Mannes graues Haar und auf seinen Wangen einen Stoppelbart. Eine breite, häßliche Narbe verlief vom Unterkiefer bis zum Jochbein. Die Verletzung, die ihm eine solche Narbe eingetragen hatte, mußte sehr schlimm gewesen sein, fand Bob. Er fragte sich, ob der Mann wohl auch sein Augenlicht bei diesem Unfall verloren hatte.
    Der Bettler beugte sich vor, als wolle er von der Bank aufstehen. Dabei blieb sein Fuß am Stock hängen, und es riß ihn jäh zur Seite, halb im Sitzen und halb schon im Stehen.
    »Oh!« rief die Frau erschrocken. Sie faßte den Bettler am Arm, um ihn zu stützen.
    Die Sammelbüchse fiel zu Boden und rollte scheppernd weg.
    Münzen sprangen in allen Richtungen davon.
    »Mein Geld!« schrie der Bettler.
    »Das sammeln wir gleich ein!« sagte die Frau. »Bleiben Sie nur sitzen.«
    Sie bückte sich und las auf dem nassen Bürgersteig Münzen zusammen, und Bob fischte im Rinnstein. Die Frau hob die Büchse auf, die gegen einen Abfallkorb gerollt war, und warf die Münzen wieder ein.
    »Haben Sie alles beisammen?« fragte der Blinde.

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