Die Entscheidung
Das Bild ihrer Selbst zersplitterte.
„Warum?“, schrie Laney, während sie ihre Fäuste immer wieder auf den Spiegel niedersausen ließ. Solange, bis ihre Hände völlig blutüberströmt waren.
Erst als das Waschbecken überquoll und das Wasser ihre nackten Beine herunterlief, hörte sie auf sich selbst zu kasteien und brach in Tränen aus. Schluchzend sackte sie vor dem Waschbecken zusammen und ließ zu, dass das Wasser ihren kahlen Kopf hinab rann.
„Laney“, ertönte in diesem Moment eine Stimme, und im nächsten Moment stand Swana in der Tür.
Schockiert schlug sie sich die Hand vor den Mund, bevor sie zum Waschbecken rannte und das Wasser ausstellte. Danach kniete sie sich neben Laney und zog die junge Frau in ihre Arme.
„Was machst du denn für Sachen?“, fragte die sie verständnislos.
„Er ist weg“, schluchzte Laney und krallte sich an Swana fest.
„Ich weiß, Elska“, sagte Swana und streichelte Laney besorgt über den Rücken. Es störte sie kein bisschen, dass sie dabei ganz nass wurde. „Johanna hat mir gesagt, dass er mit Janish weggegangen ist. Sie hat mir Mady abgenommen und mich sofort zu dir geschickt. Aber … was hattest du denn mit dem Wasser vor?“
Laney schüttelte den Kopf. Sie wusste es nicht mehr. Es ergab keinen Sinn. Nichts ergab mehr Sinn.
„Was … was soll ich denn jetzt tun, Swana?“
Swana seufzte.
„Das ist eine Entscheidung, die dir niemand abnehmen kann“, erklärte sie betrübt. „Darrek ist ein freier Mann. Er hat seine Wahl getroffen und dir somit eine Option genommen. Unser nächster Schritt wird sein, zu deiner Familie zu reisen. Jeder, der eine sinnvolle Begabung besitzt, sowie alle kampftüchtigen Jungvampire werden uns begleiten. Und wenn wir erst einmal da sind, wird sich vielleicht ganz von alleine eine Lösung für dein Problem finden.“
Laney glaubte zwar nicht daran, aber ihr war klar, dass Verzweiflung ihr auch nicht weiterhelfen würde. Sie musste zurück zu ihren Eltern. Das war das Wichtigste. Egal, was dann geschah. Zumindest würde sie dort die Unterstützung ihrer Lieben haben. Und vielleicht … ja, vielleicht würde ihr gebrochenes Herz sich ja irgendwann wieder heilen lassen.
Liliana benötigte keine Gabe, um beim Eintritt in das Dorf zu wissen, dass Darrek und Laney nicht mehr hier waren. Ein kurzer Blick zu Raika genügte, um diesen Eindruck noch zu bestätigen. Raika sah traurig zu Boden. Es war vorbei. Sie hatten die Jagd nicht gewonnen. Und Akima würde darüber alles andere als begeistert sein.
„Hallo? Kann ich Ihnen helfen?“
Eine Frau um die vierzig, mit sechs Kindern im Schlepptau, kam misstrauisch auf die Eindringlinge zu. Und am liebsten wäre Liliana ihr direkt an die Kehle gefallen. Tagelang waren sie durch die verdammte Lavalandschaft von Island geirrt und hatten nach Spuren gesucht. Und als sie dann endlich Spuren gefunden hatten, mussten sie feststellen, dass diese über einen gefährlichen Fluss führten. Nur mithilfe ihrer Seile hatten sie es geschafft, die andere Seite zu erreichen. So viel Aufwand, nur um am Ende des Ziels dann blöde Fragen gestellt zu bekommen.
Doch im Gegensatz zu Liliana hatte Raika ihre Manieren noch nicht verloren. Sie bedeutete Annick und Alain ihr zu folgen und ging auf die Frau zu.
„Hallo, gute Frau“, sagte sie. „Mein Name ist Raika und ich bin die Vertreterin der Ältesten Noemi. Meine Begleiter und ich sind auf der Suche nach meinem Cousin Darrek und einem Mädchen namens Laney. Habt ihr die beiden zufällig gesehen?“
Erkennen flammte in den Augen der Frau auf und sie beugte sich hinunter, um einem ihrer Kinder etwas zuzuflüstern. Sofort rannte der Junge davon.
„Mein Name ist Maelle“, sagte die Frau und machte einen Schritt auf Raika zu. „Ihr habt doch gewiss einen langen Weg hinter euch. Kann ich euch etwas zu trinken anbieten?“
Diese Einladung war doch eindeutig eine Hinhaltetaktik. Wut stieg in Liliana auf. Wut über diese Niederlage, Wut auf Darrek, Wut auf die Outlaws und Wut auf diese ganze verzwickte Situation. Aber gerade als sie sich überlegte, wie sie ihrer Wut am besten freien Lauf lassen könnte, tauchten noch mehr Warmblüter hinter Maelle auf. Es waren zwar hauptsächlich Alte und Kinder, aber es waren viele. Und zwar so viele, dass Liliana sich zu fragen begann, ob es nicht vielleicht doch besser wäre, ihr Temperament zu zügeln.
„Wir wissen euer Angebot zu schätzen“, sagte Raika ganz ruhig und schien die anderen Dorfbewohner gar
Weitere Kostenlose Bücher