Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
aufzuschichten und auszuöhlen, wenn auch natürlich die Bienen selbst von den bestimmten Abständen ihrer Kugelräume von einander ebensowenig als von den Winkeln ihrer Sechsecke und den Rautenflächen am Boden ein Bewusstsein haben. Die treibende Ursache des Prozesses der natürlichen Zuchtwahl war die Construktion der Zellen von gehöriger Stärke und passender Größe und Form für die Larven bei der größtmöglichen Ersparnis an Wachs und Arbeit; der individuelle Schwarm, welcher die besten Zellen mit der geringsten Arbeit machte und am wenigsten Honig zur Secretion von Wachs bedurfte, gedieh am besten und vererbte seinen neuerworbenen Ersparnistrieb auf spätere Schwärme, welche dann ihrerseits wieder die meiste Wahrscheinlichkeit des Erfolges [in] dem Kampfe um’s Dasein hatten.
Einwände gegen die Theorie der natürlichen Zuchtwahl in ihrer Anwendung auf Instinkte; geschlechtslose und unfruchtbare Insekten
Man hat auf die vorangehende Anschauungsweise über die Entstehung des Instinktes erwiedert, »dass Abänderung von Körperbau und Instinkt gleichzeitig und in genauem Verhältnise zu einander erfolgt sein müsse, weil eine Abänderung des einen ohne entsprechenden Wechsel des andern den Tieren hätte verderblich werden müssen.« Die Stärke dieses Einwandes beruht jedoch gänzlich auf der Annahme, dass die beiderlei Veränderungen, in Struktur und Instinkt, plötzlich erfolgten. Kommen wir zur Erläuterung des Falles auf die Kohlmeise ( Parus major ) zurück, von welchem in einem früheren Kapitel die Rede gewesen ist. Dieser Vogel hält oft auf einem Zweige sitzend Eibensamen zwischen seinen Füßen und hämmert darauf los bis er zum Kerne gelangt. Welche besondere Schwierigkeit könnte nun für die natürliche Zuchtwahl in der Erhaltung aller geringeren Abänderungen in der Form des Schnabels liegen, welche ihn zum Aufhacken der Samen immer besser geeignet machten, bis endlich ein für diesen Zweck so wohl gebildeter Schnabel hergestellt wäre, wie der des Nußpickers ( Sitta ), während zugleich die erbliche Gewohnheit oder Mangel an anderem Futter, oder zufällige Veränderungen des Geschmacks aus dem Vogel mehr und mehr einen ausschließlichen Körnerfresser werden ließen? Es ist hier angenommen, dass durch natürliche Zuchtwahl der Schnabel nach und nach, aber im Zusammenhang mit dem langsamen Wechsel der Gewohnheit verändert worden sei. Man lasse aber nun auch noch die Füße der Kohlmeise sich verändern und in Correlation mit dem Schnabel oder aus irgend einer andern unbekannten Ursache sich vergrößern, bleibt es dann noch sehr unwahrscheinlich, dass diese größeren Füße den Vogel auch mehr und mehr zum Klettern verleiten, bis er auch die merkwürdige Neigung und Fähigkeit des Kletterns wie der Nußpicker erlangt? In diesem Falle würde dann ein stufenweiser Wechsel des Körperbaues zu einer Veränderung von Instinkt und Lebensweise führen. – Nehmen wir einen andern Fall an. Wenige Instinkte sind merkwürdiger als derjenige, welcher die Schwalben der ostindischen Inseln veranlasst ihr Nest ganz aus verdicktem Speichel zu machen. Einige Vögel bauen ihr Nest aus, wie man glaubt, durchspeicheltem Schlamm, und eine nordamerikanische Schwalbenart sah ich ihr Nest aus Reisern mit Speichel und selbst mit Flocken von dieser Substanz zusammenkitten. Ist es dann nun so unwahrscheinlich, dass natürliche Zuchtwahl mittelst einzelner Schwalbenindividuen, welche mehr und mehr Speichel absondern, endlich zu einer Art geführt habe, welche mit Vernachlässigung aller andern Baustoffe ihr Nest allein aus verdichtetem Speichel bildete? Und so in andern Fällen. Man muss zugeben, dass wir in vielen Fällen gar keine Vermutung darüber haben können, ob Instinkt oder Körperbau zuerst sich zu ändern begonnen habe.
Ohne Zweifel ließen sich noch viele schwer erklärbaren Instinkte meiner Theorie natürlicher Zuchtwahl entgegenhalten: Fälle, wo sich die Veranlassung zur Entstehung eines Instinktes nicht einsehen lässt; Fälle, wo keine Zwischenstufen bekannt sind; Fälle von anscheinend so unwichtigen Instinkten, dass kaum abzusehen ist, wie sich die natürliche Zuchtwahl an ihnen beteiligt haben könne; Fälle von fast identischen Instinkten bei Tieren, welche auf der Stufenleiter der Natur so weit auseinanderstehen, dass sich deren Übereinstimmung nicht durch Ererbung von einer gemeinsamen Stammform erklären lässt, dass wir vielmehr glauben müssen, sie seien unabhängig von
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