Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
Züchter wendet sich mit Vertrauen und mit Erfolg wieder zur nämlichen Familie. Man darf der Macht der Zuchtwahl so vertrauen, dass ich nicht bezweifle, dass eine Rinderrasse, welche stets Ochsen mit außerordentlich langen Hörnern liefert, wahrscheinlicherweise langsam durch sorgfältige Anwendung von solchen Bullen und Kühen gezüchtet werden könne, die, miteinander gepaart, Ochsen mit den längsten Hörnern geben, obwohl nie ein Ochse selbst diese Eigenschaft auf Nachkommen zu übertragen im Stande ist. Das folgende ist ein noch besseres und faktisch vorliegendes Beispiel. Nach Verlot erzeugen einige Varietäten des einjährigen gefüllten Winterlevkoy in Folge der langfortgesetzten sorgfältigen Auswahl in der passenden Richtung immer aus Samen im Verhältnis sehr viele gefüllte und unfruchtbar blühende Pflanzen; sie bringen aber gleicherweise immer einige einfach und fruchtbar blühende Pflanzen hervor. Diese letzteren, durch welche allein die Varietät fortgepflanzt werden kann, können nun mit den fruchtbaren Männchen und Weibchen einer Ameisencolonie, die unfruchtbaren gefülltblühenden mit den sterilen Geschlechtslosen derselben Colonie verglichen werden. Wie bei den Varietäten des Levkoy, so ist auch bei den geselligen Insekten Zuchtwahl auf die Familie und nicht auf das Individuum zur Erreichung eines nützlichen Ziels angewendet worden. Wir können daher schließen, dass unbedeutende Modifikationen des Baus oder Instinkts, welche mit der unfruchtbaren Beschaffenheit gewisser Mitglieder der Gemeinde im Zusammenhang stehn, sich für die Gemeinde nützlich erwiesen haben; in Folge dessen gediehen die fruchtbaren Männchen und Weibchen derselben besser und übertrugen auf ihre fruchtbaren Nachkommen eine Neigung unfruchtbare Glieder mit den nämlichen Modifikationen hervorzubringen. Dieser Vorgang muss vielmals wiederholt worden sein, bis diese Verschiedenheit zwischen den fruchtbaren und unfruchtbaren Weibchen einer und derselben Spezies zu der wunderbaren Höhe gedieh, wie wir sie jetzt bei vielen gesellig lebenden Insekten wahrnehmen.
Aber wir haben bis jetzt die größte Schwierigkeit noch nicht berührt, die Tatsache nämlich, dass die Geschlechtslosen bei mehreren Ameisenarten nicht allein von den fruchtbaren Männchen und Weibchen, sondern auch noch untereinander selbst bis zu einem beinahe unglaublichen Grade abweichen und danach in zwei oder selbst drei Kasten geteilt werden. Diese Kasten gehen überdies in der Regel nicht in einander über, sondern sind vollkommen getrennt, so verschieden von einander, wie es sonst zwei Arten einer Gattung oder vielmehr zwei Gattungen einer Familie zu sein pflegen. So kommen bei Eciton arbeitende und kämpfende Individuen mit außerordentlich verschiedenen Kinnladen und Instinkten vor; bei Cryptocerus tragen die Arbeiter der einen Kaste allein eine wunderbare Art von Schild an ihrem Kopfe, dessen Gebrauch ganz unbekannt ist. Bei den mexicanischen Myrmecocystus verlassen die Arbeiter der einen Kaste niemals das Nest; sie werden durch die Arbeiter einer andern Kaste gefüttert und haben ein ungeheuer entwickeltes Abdomen, welches eine Art Honig absondert, als Ersatz für denjenigen, welchen die Aphiden, oder wie man sie nennen kann, die Hauskühe, welche unsre europäischen Ameisen bewachen oder einsperren, absondern.
Man wird in der Tat denken, dass ich ein übermäßiges Vertrauen in das Prinzip der natürlichen Zuchtwahl setze, wenn ich nicht zugebe, dass so wunderbare und wohlbegründete Tatsachen meine Theorie auf einmal gänzlich vernichten. In dem einfacheren Falle, wo geschlechtslose Ameisen nur von einer Kaste vorkommen, die nach meiner Meinung durch natürliche Zuchtwahl von den fruchtbaren Männchen und Weibchen verschieden gemacht worden sind, in einem solchen Falle dürfen wir aus der Analogie mit gewöhnlichen Abänderungen zuversichtlich schließen, dass jede succesive geringe nützliche Abweichung nicht alsbald an allen geschlechtslosen Individuen eines Nestes zugleich, sondern nur an einigen wenigen zum Vorschein kam, und dass erst in Folge des Überlebens der Colonien mit Weibchen, welche die meisten so vorteilhaft modifizierten Geschlechtslosen produzierten, alle Geschlechtslosen endlich den gewünschten Charakter erlangten. Nach dieser Ansicht müsste man auch im nämlichen Neste zuweilen noch geschlechtslose Individuen derselben Insektenart finden, welche Zwischenstufen der Körperbildung darstellen; und diese findet man in der Tat und
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