Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
Vermischung von Arten, welche Bezirke mit nahezu gleichen Lebensbedingungen bewohnen, zu hindern. So haben die südöstliche und südwestliche Ecke Australiens eine nahezu gleiche physikalische Beschaffenheit und sind durch zusammenhängendes Land miteinander verbunden, werden aber gleichwohl von einer ungeheuren Anzahl verschiedener Säugetier-, Vögel- und Pflanzenarten bewohnt; ebenso verhält es sich nach Bates mit den Schmetterlingen und anderen Tieren, welche das große offene und zusammenhängende Thal des Amazonenstromes bewohnen.
Dasselbe Prinzip, welches den allgemeinen Charakter der Fauna und Flora der ozeanischen Inseln bestimmt, nämlich die Beziehungen zu der Quelle, aus welcher Colonisten am leichtesten hergeleitet werden könnten, und deren spätere Modifikation, ist von der weitesten Anwendbarkeit in der ganzen Natur. Wir sehen dies auf jedem Berg, in jedem See, in jedem Marschlande. Denn die alpinen Arten, mit Ausnahme der durch die Glacialereignisse weithin verbreiteten Formen, sind mit denen der umgebenden Tiefländer verwandt; so haben wir in Süd-Amerika alpine Colibris, alpine Nager, alpine Pflanzen u. s. f., aber alle von streng amerikanischen Formen; und es liegt auf der Hand, dass ein Gebirge während seiner allmählichen Emporhebung von den benachbarten Tiefländern aus colonisiert werden würde. So ist es auch mit den Bewohnern der Seen und Marschen, so weit nicht die große Leichtigkeit der Überführung denselben Süßwasserformen über die ganze Erdoberfläche vorzuherrschen gestattet hat. Wir sehen dasselbe Prinzip in den Charakteren der meisten blinden Höhlentiere Europas und Amerikas. Andere analoge Tatsachen könnten noch angeführt werden. Es wird sich nach meiner Meinung überall bestätigen, dass, wo immer in zwei wenn auch noch so weit von einander entfernten Gegenden viele nahe verwandte oder stellvertretende Arten vorkommen, auch einige identische Arten vorhanden sein werden, und wo immer viele nahe verwandte Arten vorkommen, da werden auch viele Formen sein, welche einige Naturforscher als besondere Arten und andere nur als Varietäten betrachten. Diese zweifelhaften Formen drücken uns die Stufen in der fortschreitenden Abänderung aus.
Diese Beziehung zwischen dem Vermögen und der Ausdehnung der Wanderung bei gewissen Arten (sei es in jetziger Zeit oder in einer früheren Periode) und dem Vorkommen anderer verwandter Arten in entfernten Teilen der Erde ergibt sich in einer andern, noch allgemeineren Weise. Gould sagte mir vor langer Zeit, dass von denjenigen Vogelgattungen, welche sich über die ganze Erde erstrecken, auch viele Arten eine weite Verbreitung besitzen. Ich vermag kaum zu bezweifeln, dass diese Regel allgemein richtig ist, obwohl dies schwer zu beweisen sein dürfte. Unter den Säugetieren finden wir sie scharf bei den Fledermäusen und in schwächerem Grade bei den hunde- und katzenartigen Tieren ausgesprochen. Wir sehen sie in der Verbreitung der Schmetterlinge und Käfer. Und so ist es auch bei den meisten Süßwasserformen, unter welchen so viele Gattungen aus den verschiedensten Klassen über die ganze Erde reichen und viele einzelne Arten eine ungeheure Verbreitung besitzen. Es soll nicht behauptet werden, dass in den über die ganze Erde verbreiteten Gattungen alle Arten in weiter Ausdehnung vorkommen. Auch soll nicht gesagt werden, dass die Arten in solchen Gattungen im Mittel eine sehr weite Verbreitung haben; denn dies wird großenteils davon abhängen, wie weit der Modifikationsprozess gegangen ist. So können z. B. zwei Varietäten einer Art die eine Europa, die andere Amerika bewohnen, und die Art hat dann eine unermessliche Verbreitung; ist aber die Abänderung etwas weiter gediehen, so werden die zwei Varietäten als zwei verschiedene Arten gelten und die Verbreitung einer jeden wird sehr beschränkt erscheinen. Noch weniger soll gesagt werden, dass Arten, welche das Vermögen besitzen, Schranken zu überschreiten und sich weit auszubreiten, wie mancher mit kräftigen Flügeln versehene Vogel, sich notwendig weit ausbreiten müssen; denn wir dürfen nicht vergessen, dass zur weiten Verbreitung nicht allein das Vermögen Schranken zu überschreiten, sondern auch noch das bei weitem wichtigere Vermögen gehört, in fernen Landen den Kampf um’s Dasein mit den neuen Genossen siegreich zu bestehen. Aber nach der Annahme, dass alle Arten einer Gattung, wenn gleich jetzt über die entferntesten Teile der Erde zerstreut, von einem einzelnen
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