Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
der alten Hunde und der 6 Tage alten Jungen fand ich, dass diese letzten entfernt noch nicht die abweichenden Maßverhältnise angenommen hatten. Ebenso vernahm ich, dass die Füllen des Karren- und des Rennpferdes, – zwei Rassen, welche fast gänzlich durch Zuchtwahl im Zustande der Domestikation gebildet worden sind –, eben so sehr wie die erwachsenen Tiere von einander abweichen. Als ich aber sorgfältige Ausmessungen an den Müttern und den drei Tage alten Füllen eines Renners und eines Karrengauls vornahm, fand ich, dass dies keineswegs der Fall ist.
Da wir entscheidende Beweise dafür besitzen, dass die verschiedenen Haustaubenrassen von nur einer wilden Art herstammen, so verglich ich junge Tauben verschiedener Rassen 12 Stunden nach dem Ausschlüpfen miteinander; ich maß die Größenverhältnise (wovon ich die Einzelheiten hier nicht mitteilen will) des Schnabels, der Weite des Mundes, der Länge der Nasenlöcher und der Augenlider, der Läufe und Zehen sowohl beim wilden Stamme, als bei Kröpfern, Pfauentauben, Runt- und Barbtauben, Drachen- und Botentauben und Purzlern. Einige von diesen Vögeln weichen nun im reifen Zustande so außerordentlich in der Länge und Form des Schnabels und in anderen Charakteren von einander ab, dass man sie, wären sie natürliche Erzeugnisse, zweifelsohne in ganz verschiedene Genera bringen würde. Wenn man aber die Nestlinge dieser verschiedenen Rassen in eine Reihe ordnet, so erscheinen, obwohl man die meisten derselben eben noch von einander unterscheiden kann, die Verschiedenheiten ihrer Proportionen in den genannten Beziehungen, unvergleichbar geringer, als in den erwachsenen Vögeln. Einige charakteristische Differenzpunkte der Alten, wie z. B. die Weite des Mundspaltes, sind an den Jungen noch kaum zu entdecken. Ich fand nur eine merkwürdige Ausnahme von dieser Regel, indem die Jungen des kurzstirnigen Purzlers von den Jungen der wilden Felstaube und der andern Rassen in allen Maßverhältnisen fast genau ebenso verschieden waren, wie im erwachsenen Zustande.
Die zwei oben aufgestellten Prinzipien erklären diese Tatsachen. Liebhaber wählen ihre Pferde, Hunde und Tauben zur Nachzucht aus, wenn sie nahezu erwachsen sind. Es ist ihnen gleichgiltig, ob die verlangten Bildungen und Eigenschaften früher oder später im Leben zum Vorschein kommen, wenn nur das erwachsene Tier sie besitzt. Und die eben mitgeteilten Beispiele insbesondere von den Tauben zeigen, dass die charakteristischen Verschiedenheiten, welche den Wert einer jeden Rasse bedingen und durch künstliche Zuchtwahl gehäuft worden sind, nicht allgemein in einer frühen Lebensperiode zum Vorschein gekommen und auch erst in einem entsprechenden späteren Lebensalter auf die Nachkommen vererbt sind. Aber der Fall mit dem kurzstirnigen Purzler, welcher schon in einem Alter von zwölf Stunden seine eigentümlichen Maßverhältnise besitzt, beweist, dass dies keine allgemeine Regel ist; denn hier müssen die charakteristischen Unterschiede entweder in einer früheren Periode als gewöhnlich erscheinen, oder wenn nicht, statt in dem entsprechenden in einem früheren Alter vererbt worden sein.
Wenden wir nun diese zwei Prinzipien auf die Arten im Naturzustande an. Nehmen wir eine Vogelgruppe an, die von irgend einer alten Form herkommt und durch natürliche Zuchtwahl für verschiedene Lebensweisen modifiziert worden ist. Dann werden in Folge der vielen successiven kleinen Abänderungsstufen, welche in einem nicht frühen Alter eingetreten sind und sich in entsprechendem Alter weiter vererbt haben, die Jungen nur wenig modifiziert bleiben und sich einander mehr zu gleichen geneigt sein, als es bei den Alten der Fall ist, gerade so wie wir es bei den Tauben gesehen haben. Wir können diese Ansicht auf sehr verschiedene Bildungen und auf ganze Klassen ausdehnen. Die vorderen Gliedmaßen z. B., welche der Stammart als Beine gedient haben, mögen in Folge langwährender Modifikation bei einem Nachkommen zu den Diensten der Hand, bei einem anderen zu denen des Ruders und bei einem dritten zu solchen des Flügels angepasst worden sein: aber nach den zwei obigen Prinzipien werden die vorderen Gliedmaßen in den Embryonen dieser verschiedenen Formen nicht sehr modifiziert worden sein, obschon in jeder die Vordergliedmaßen des reifen Tieres sehr verschieden sind. Was immer für einen Einfluss lange fortgesetzter Gebrauch oder Nichtgebrauch auf die Abänderung der Gliedmaßen oder anderer Teile irgend einer Spezies
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