Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
den Fischen gegenüber sogar in gewissem Nachteile sind, weil sie des Athmens wegen beständig an die Oberfläche zu kommen haben. Eben so werden in der Klasse der Fische Glieder der Familie der Haie wahrscheinlich nicht geneigt sein, den Amphioxus zu ersetzen; denn dieser hat, wie ich von Fritz Müller höre, eine anomale Annelide zum einzigen Genossen und Concurrenten auf dem unfruchtbaren sandigen Ufer von Süd-Brasilien. Die drei untersten Säugetierordnungen, die Beuteltiere, die Zahnlosen und die Nager existieren in Süd-Amerika in einerlei Gegend gleichzeitig mit zahlreichen Affen, und stören wahrscheinlich einander wenig. Obwohl die Organisation im Ganzen auf der ganzen Erde im Fortschreiten begriffen sein kann, so wird die Stufenleiter der Vollkommenheit doch immer noch viele Abstufungen darbieten; denn die hohe Organisationsstufe gewisser ganzer Klassen oder einzelner Glieder einer jeden derselben führen in keiner Weise notwendig zum Erlöschen derjenigen Gruppen, mit welchen sie nicht in nahe Konkurrenz treten. In einigen Fällen scheinen tief organisierte Formen, wie wir hernach sehen werden, sich bis auf den heutigen Tag dadurch erhalten zu haben, dass sie eigentümliche oder abgesonderte Wohnorte haben, wo sie einer weniger heftigen Konkurrenz ausgesetzt gewesen sind und wo ihre geringe Anzahl die Aussicht auf das Auftreten begünstigender Abänderungen geschmälert hat.
Endlich glaube ich, dass das Vorkommen zahlreicher niedrig organisierter Formen über die ganze Erdoberfläche von verschiedenen Ursachen herrühre. In einigen Fällen mag es an Abänderungen oder individuellen Verschiedenheiten von vorteilhafter Art gefehlt haben, mit deren Hilfe die natürliche Zuchtwahl zu wirken und welche sie zu häufen vermocht hätte. Wahrscheinlich in keinem Falle ist die Zeit ausreichend gewesen, um den höchsten möglichen Grad der Entwicklung zu erreichen. In einigen wenigen Fällen ist wohl auch das eingetreten, was wir einen Rückschritt der Organisation nennen müssen. Aber die Hauptursache liegt in der Tatsache, dass unter sehr einfachen Lebensbedingungen eine hohe Organisation ohne Nutzen, möglicherweise sogar von wirklichem Nachteil sein kann, weil sie zarter, empfindlicher und leichter zu stören und zu beschädigen ist.
Wenn man auf das erste Erwachen des Lebens zurückblickt, wo alle organischen Wesen, wie wir uns wohl vorstellen können, noch die einfachste Struktur besaßen: wie können da, hat man gefragt, die ersten Fortschritte in der Vervollkommnung oder der Differenzirung der Organe begonnen haben? Herbert Spencer würde wahrscheinlich antworten, dass, sobald die einfachen einzelligen Organismen durch Wachstum oder Teilung zu mehrzelligen Gebilden geworden oder auf eine sie tragende Fläche geheftet worden wären, sein Gesetz in Wirksamkeit getreten sei, dass nämlich »homologe Einheiten irgend welcher Ordnung in dem Verhältnise differenziert werden, als ihre Beziehungen zu den auf sie wirkenden Kräften verschieden werden«. Da uns aber keine Tatsachen leiten können, so ist alle Speculation über diesen Punkt beinahe nutzlos. Es wäre jedoch ein Irrtum, anzunehmen, dass kein Kampf um’s Dasein und mithin keine natürliche Zuchtwahl eher stattgefunden hätte, als bis erst vielerlei Formen hervorgebracht worden wären. Abänderungen einer einzelnen Art auf einem abgesonderten Standorte mögen vorteilhaft gewesen sein und so entweder die ganze Masse von Individuen umgestaltet oder die Entstehung zweier verschiedenen Formen vermittelt haben. Doch ich muss auf dasjenige zurückkommen, was ich schon am Ende der Einleitung ausgesprochen habe, dass sich Niemand wundern darf, wenn jetzt noch Vieles in Bezug auf den Ursprung der Arten unerklärt bleiben muss, wenn wir unsere gänzliche Unwissenheit über die Wechselbeziehungen der Erdenbewohner während der Jetztzeit und noch mehr während der verflossenen Perioden ihrer Geschichte in Rechnung bringen.
Convergenz des Charakters
H. C. Watson glaubt, ich habe die Wichtigkeit des Prinzips der Divergenz der Charaktere (an welches er jedoch offenbar selbst glaubt) überschätzt, und sagt, dass auch die »Convergenz der Charaktere«, wie man es nennen könne, mit in Betracht zu ziehen sei. Wenn zwei Spezies von zwei verschiedenen, aber verwandten Gattungen eine Anzahl neuer divergenter Arten hervorgebracht hätten, so könnte man sich wohl vorstellen, dass diese sich so sehr einander näherten, dass sie sämtlich in eine und dieselbe Gattung
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