Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
die nahe Inzucht, zu ihrer Vertilgung mitwirken; es haben einige Schriftsteller diesen Umstand als Grund für das allmähliche Aussterben des Auerochsen in Lithauen, des Hirsches in Schottland, des Bären in Norwegen u. s. w. angeführt. Endlich (und dies scheint mir das Wichtigste zu sein) wird eine herrschende Spezies, die bereits viele Concurrenten in ihrer eigenen Heimat überwunden hat, sich immer weiter auszubreiten und andere zu verdrängen streben. Alphons DeCandolle hat gezeigt, dass diejenigen Arten, welche sich weit ausbreiten, gewöhnlich nach sehr weiter Ausbreitung streben und daher in die Lage kommen, in verschiedenen Flächengebieten verschiedene Mitbewerber zu verdrängen und zu vertilgen und somit die übermäßige Zunahme spezifischer Formen in der ganzen Welt zu hemmen. Dr. Hooker hat kürzlich nachgewiesen, dass auf der Südostspitze Australiens, wo offenbar viele Eindringlinge aus mancherlei Weltgegenden vorkommen, die endemischen australischen Arten sehr an Zahl abgenommen haben. Ich maße mir nicht an zu sagen, welches Gewicht allen diesen Momenten beizulegen sei; doch müssen sie im Vereine miteinander jedenfalls der Neigung zu einer unendlichen Vermehrung der Artenformen in jeder Gegend eine Grenze setzen.
Zusammenfassung des Kapitels
Wenn unter sich ändernden Lebensbedingungen die organischen Wesen in beinahe allen Teilen ihres Baues individuelle Verschiedenheiten darbieten, was, wie ich glaube, nicht bestritten werden kann; wenn ferner wegen des geometrischen Verhältnises ihrer Vermehrung alle Arten in irgend einem Alter, zu irgend einer Jahreszeit und in irgend einem Jahre einen heftigen Kampf um ihr Dasein zu kämpfen haben, was sicher nicht zu läugnen ist: dann meine ich im Hinblick auf die unendliche Verwickelung der Beziehungen aller organischen Wesen zu einander und zu ihren Lebensbedingungen, welche eine endlose Verschiedenartigkeit einer ihnen vorteilhaften Organisation, Constitution und Lebensweise verursachen, dass es eine ganz außerordentliche Tatsache sein würde, wenn nicht jeweils auch eine zu eines jeden Wesens eigener Wohlfahrt dienende Abänderung vorgekommen wäre, wie deren so viele vorgekommen, die dem Menschen vorteilhaft waren. Wenn aber solche für ein organisches Wesen nützliche Abänderungen wirklich vorkommen, so werden sicherlich die dadurch ausgezeichneten Individuen die meiste Aussicht haben, in dem Kampfe um’s Dasein erhalten zu werden, und nach dem mächtigen Prinzip der Vererbung werden diese wieder danach streben, ähnlich ausgezeichnete Nachkommen zu bilden. Dies Prinzip der Erhaltung oder des Überlebens des Passendsten habe ich der Kürze wegen natürliche Zuchtwahl genannt; es führt zur Vervollkommnung eines jeden Geschöpfes seinen organischen und unorganischen Lebensbedingungen gegenüber und mithin auch in den meisten Fällen zu dem, was man als eine Vervollkommnung der Organisation ansehen muss. Demungeachtet werden tiefer stehende und einfache Formen lange andauern, wenn sie ihren einfachen Lebensbedingungen gut angepasst sind.
Die natürliche Zuchtwahl kann nach dem Prinzip der Vererbung einer Eigenschaft in entsprechenden Altern eben so leicht das Ei, den Samen oder das Junge wie das Erwachsene modifizieren. Bei vielen Tieren wird die geschlechtliche Zuchtwahl noch die gewöhnliche Zuchtwahl unterstützt haben, indem sie den kräftigsten und geeignetsten Männchen die zahlreichste Nachkommenschaft sicherte. Geschlechtliche Auswahl vermag auch solche Charaktere zu verleihen, welche den Männchen allein in ihren Kämpfen oder in ihrer Mitbewerbung mit andern Männchen nützlich sind, und diese Charaktere werden einem Geschlechte oder beiden überliefert je nach der vorherrschenden Form der Vererbung.
Ob nun aber die natürliche Zuchtwahl zur Anpassung der verschiedenen Lebensformen an die mancherlei äußeren Bedingungen und Stationen wirklich mitgewirkt habe, muss nach dem allgemeinen Sinn und dem Werte der in den folgenden Kapiteln zu liefernden Beweise beurteilt werden. Doch haben wir bereits gesehen, dass dieselbe auch Austilgung verursacht, und die Geologie zeigt uns klar, in welch’ ausgedehntem Grade die Vertilgung bereits in die Geschichte der organischen Welt eingegriffen hat. Auch führt natürliche Zuchtwahl zur Divergenz der Charaktere; denn je mehr die Wesen in Struktur, Lebensweise und Constitution abändern, desto mehr kann eine große Zahl derselben auf einer gegebenen Fläche neben einander bestehen, – wofür man
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