Wyoming 2 - Wildes Herz
JOHANNA LINDSEY
WILDES HERZ
Roman
Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
Der neue Bestseller von Johanna Lindsey, der amerikanischen First Lady des romantischen Liebesromans.
Jocelyn Fleming, eine verwöhnte Londoner Aristokratin, begegnet in der unberührten Wildnis Arizonas einem faszinierenden Mann, in dessen Adern das heiße Blut der Cheyenne fließt. Colt Thunders Aufgabe ist es, die aufreizend schöne Engländerin zu beschützen, aber schon bald erliegt er den Reizen der leidenschaftlichen Jocelyn...
Kapitel 1
Territorium Wyoming, 1878
In vollkommener Stille lag die Callan Ranch an jenem Sommertag da - abgesehen von dem unheilvollen Zischen einer Peitsche. Auf dem Rasen vor dem Ranchgebäude hatte sich mehr als ein halbes Dutzend Männer versammelt, aber nicht einer von ihnen gab einen Laut von sich, als sie zusahen, wie Ramsay Pratt mit der Meisterschaft, für die er bekannt war, die Peitsche schwang. Als ehemaliger Viehtreiber gab Pratt gern mit seinem Können an. Er konnte einem Revolverhelden mit einer schnellen Drehung des Handgelenks die Waffe aus der Hand schlagen oder eine Fliege auf dem Hinterteil eines Pferdes zu Brei zerquetschen, ohne das Pferd zu berühren. Im Gegensatz zu anderen Männern, die ihre Schußwaffen auf der Hüfte trugen, hatte Pratt dort eine zusammengerollte Rinderpeitsche von dreieinhalb Metern Länge stecken. Aber heute unterschied sich seine Darbietung ein wenig von seinen sonstigen Tricks. Diesmal riß er einem Mann das Fleisch vom Rücken.
Ramsay tat es auf Walter Callans Geheiß, und es bereitete ihm gewaltiges Vergnügen. Es war nicht das erste Mal, daß er einen Mann zu Tode peitschte und dabei feststellte, wieviel Spaß es ihm machte, doch hier in Wyoming wußte das niemand. Er hatte es nicht so leicht wie die Revolverhelden. Wenn die einen Mann umbringen wollten, konnten sie Streit suchen und ihn innerhalb von Sekunden erledigen und - sowie sich die Wogen geglättet hatten - behaupten, es sei Notwehr gewesen. Dagegen war Ramsay durch die Wahl seiner Waffe gezwungen, einen Mann erst zu entwaffnen und ihn dann langsam, aber sicher totzupeitschen. In einem solchen Fall kaufte einem kaum jemand ab, es sei Notwehr gewesen. Diesmal jedoch führte er die Befehle des Bosses aus, und das Opfer war ohnehin ein unbedeutendes Halbblut, und daher würde sich niemand weiter aufregen.
Er setzte nicht die Rinderpeitsche ein, die bei jedem Hieb
gut einen Zentimeter Fleisch wegreißen konnte. Damit hätte der Spaß nicht lange genug gedauert. Callan hatte eine kürzere, dünnere Pferdepeitsche vorgeschlagen, die immer noch Hackfleisch aus dem Rücken eines Mannes machen konnte, wenn man sich die entsprechende Zeit ließ. Ramsay war das nur recht. Er konnte den Spaß auf eine gute Stunde, wenn nicht länger ausdehnen, ehe ihm der Arm lahm würde.
Wenn Callan nicht derart außer sich vor Wut gewesen wäre, hätte er den Indianer wahrscheinlich einfach erschießen lassen. Aber er wollte ihn leiden sehen, seine Schreie hören, ehe er stürbe, und Ramsay hatte vor, seinen Wünschen pflichtgetreu nachzukommen. Bisher spielte er nur mit dem Opfer und setzte dieselbe Technik ein wie mit der Rinderpeitsche, hier eine kleine Platzwunde und dort ein unbedeutender Riß in der Haut, und er richtete noch keinen wirklichen Schaden an, sondern sorgte dafür, daß sein Opfer jeden einzelnen Hieb spürte.
Der Indianer hatte bis jetzt noch keinen Laut von sich gegeben, noch nicht einmal hörbar nach Luft geschnappt. Das würde er aber noch tun, wenn Ramsay erst dazu überging, die Peitsche knallen zu lassen, statt sie harmlos zu schnippen. Aber er hatte keine Eile - es sei denn, Callan würde es langweilig, und er blies die Sache ab. Aber das war unwahrscheinlich, wenn man bedachte, wie wütend der Boß war. Ramsay wußte, wie ihm selbst zumute wäre, wenn er gerade herausgefunden hätte, daß der Mann, der um seine einzige Tochter warb, ein verdammtes Halbblut war. Monatelang hatte er sich zum Narren halten lassen, und Jenny Callan wohl auch, denn sonst hätte sie nicht so ausgesehen, als ihr Vater sie mit dieser Tatsache konfrontiert hatte. Sie war ganz blaß geworden und schien plötzlich krank, und jetzt stand sie neben ihrem Vater auf der Veranda und wirkte genauso wütend wie er.
Es war eine verfluchte Schande, denn sie war wirklich ein hübsches Mädchen. Aber wer würde sie jetzt noch wollen, nachdem bekanntgeworden war, wer ihr Gesellschaft geleistet hatte und von wem sie sich
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