Die Epidemie - Teil 2
seinen angestauten Hass auf die Infizierten ab.
So makaber es klingen mochte, aber es war Frühstückszeit. Die Stille unterbrach Zeff als Erster.
„ Mein Magen knurrt!“
„ Meiner auch“, fügte Nikolai sofort hinzu, der sich augenscheinlich rasch von seinem Schock erholt hatte. Auch Maria verstand nun, dass von dem ungebetenen Garagenbewohner keine ernsthafte Gefahr ausging.
„ Gibt mir etwas Zeit und ich zaubere uns eine leckere Stärkung“, sagte sie mit einer festen Stimme, so wie ich es von ihr gewohnt war.
Georgi übernahm den ersten Wachdienst. Wir befanden uns in einer Sackgasse und der einzige Weg daraus war der gleiche, der hineinführte. Deshalb mussten wir ständig aufpassen, dass sich nicht erneut eine Meute in die Nähe unseres Versteckes verirrte.
Die schlechten Nachrichten wollten nicht enden. Unser Proviant schrumpfte von Tag zu Tag. Zwar verringerte es gleichzeitig das Gewicht unserer Taschen, konnte aber auf Dauer zu einem echten Problem werden. Zwar gingen wir davon aus, in den nächsten Tagen das Klostergelände zu erreichen, aber wir wussten nicht genau, ob die Menschen dort genügend Nahrungsmittel und Wasser besaßen. Wir gingen auf Nummer sicher und rationierten das Proviant, um länger etwas davon zu haben.
Einstimmig einigten wir uns darauf, den Tag in unserem Versteck zu verbringen und uns erst bei Anbruch der Dunkelheit wieder auf den Weg zum Klostergelände zu machen.
Die Wolken lichteten sich allmählich und die warmen Sonnenstrahlen besserten unsere trübe Stimmung. Es schien ein angenehmer Tag zu werden und wir beschlossen, das Beste daraus zu machen und ihn so gut es ging zu genießen.
Den Wachdienst teilten wir in Schichten auf, die jeweils vier Stunden dauerten. Maria verschonten wir aus Rücksicht auf ihr Alter. Außerdem war sie die einzige Frau in unserer Gruppe. Erst war sie mit der Idee überhaupt nicht einverstanden. Ihr Drang, uns beweisen zu müssen, dass sie mit uns jungen Männern immer noch mithalten konnte, sorgte für mehrere böse Sprüche. Doch Nikolai verstand es sehr gut, Konflikte zu schlichten.
„ Wir möchten dich nicht ausgrenzen. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass du die wachsamsten Augen von uns allen hast und diese Aufgabe genauso, wenn nicht besser, meistern würdest, doch lass mir dir folgendes sagen …“, Nikolais Stimme war ruhig und einfühlsam. Er nahm Maria an die Hand und ging ein paar Schritte mit ihr um unser Gepäck, das an der Garagenwand stand. Im Laufe der nächsten Viertelstunde folgte eine Lobrede der nächsten. Nikolai preiste ihre Kochkünste und ihr Talent, aus den wenigen Vorräten, die uns noch blieben, Unmengen an Kostbarkeiten zu zaubern.
„ Wenn du ebenfalls den Wachdienst übernehmen müsstest, könnte es eventuell sein, dass Zeff unser nächstes Mittag- oder Abendessen zubereiten müsste. Tue uns das bitte nicht an“, flüsterte er ihr ins Ohr und kicherte dezent. Auch Maria fand diese Vorstellung amüsant und lachte auf. Ihr Groll verflüchtigte sich ein wenig. „Außerdem“, fuhr Nikolai fort „müssen wir unsere Vorräte rationieren und ich denke, dass diese wichtige Aufgabe von dir übernommen werden muss. Du bist wohl die einzige von uns, die die Rationierung fair und gerecht verwaltet.“
Die einfühlsame Art des Arztes zeigte schnell Wirkung. Maria war nun sogar sichtlich stolz darüber, die Verantwortung für den Proviant zu tragen.
Nikolai dagegen begab sich nach dem Gespräch in die Garage und setzte sich dem Aufgehängten gegenüber. Ich wunderte mich darüber, dass er sich alleine in die Kammer traute und ohne Waffe in der unmittelbaren Nähe des Infizierten saß.
Still und konzentriert beobachtete er den Mann, drehte den Kopf hin und her und musterte ihn von oben bis unten. Nach einer Weile stand er auf und umrundete den Selbstmörder.
„ Was soll das werden wenn es fertig ist?“, fragte ihn Georgi, der mit Zeff die Schicht gewechselt hatte und sich nun erneut zu uns gesellte. Die ersten vier Stunden der Wache schienen ihm gut getan zu haben. Er wirkte nicht mehr so angespannt und aggressiv wie noch vor wenigen Stunden.
„ Ich finde es faszinierend, so nah an einem von ihnen zu sein. Die ganze Entwicklung hat allem Anschein nach einen biologischen Ursprung. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dass es sich um ein Virus, einen Erreger oder einer neuen Form der Seuche handelt. Meine Aufgabe als Arzt bestand und besteht immer noch darin, die Ursachen für
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