Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Reiter.
»Das is’n Bauernbalg.«
»Wo is der Unterschied?«
Beide Reiter lachten. Der Junge hörte das Krachen, mit dem Türen, die ohnehin offen waren, von Stiefeln eingetreten wurden. Er erwartete, dass der Bauer und seine Familie im nächsten Moment herauskommen würden, doch nichts tat sich. Nicht einmal die Knechte, die sich sonst mit Sensen und Dreschflegeln im Hintergrund herumzudrücken pflegten, voller Hoffnung, jemand möge einen Streit vom Zaun brechen, waren zu sehen. Er dachte an Leupold, der mit einem gebrochenen Bein im Stall lag, doch dann nahm etwas anderes seine Aufmerksamkeit gefangen: Einer der Reiter, der abgestiegen war, zog sich den Helm vom Kopf, riss an Lederbändern, die an seinem eisernen Leib herabhingen, und wand sich aus seinem Harnisch. Darunter war er nichts weiter als ein dünner Mann mit verschwitztem Hemd,zotteligem Bart und verfilztem Haar. Der Junge starrte ihn weniger enttäuscht als erstaunt an, dass eine solche Wandlung mit dem Eisenreiter vorgegangen war. Der dünne Mann schüttelte sich, bückte sich um das Rapier, dessen Klinge er in den Boden gesteckt hatte, zog es heraus und durchbohrte mit einem langen Vorwärtsschritt das ihm am nächsten stehende Schaf.
Das Blöken des Schafs hörte sich an wie ein überraschtes Husten. Es brach vorne auf die Knie, dann versuchte es wieder aufzustehen. Die anderen Schafe drängten von ihm weg. Der Mann mit dem Rapier zog die Klinge heraus und stach erneut zu. Das Schaf zuckte und fiel auf die Seite, seine Beine begannen zu schlagen.
»Kannst du nich’ mal so’n blödes Vieh auf einen Streich totmachen?«, schrie einer der anderen Reiter. »Wie auf’m Schlachtfeld!«
»Leck mich«, sagte der Mann mit dem Rapier und sah sich nach seinen Sachen um.
»Keine Pistolen«, sagte der Reiter, der den Jungen mitgenommen hatte. »Spart euch das Pulver für morgen.«
»Das geht so nich’«, hörte sich der Junge sagen. Die Reiter starrten ihn an. Das Schaf auf dem Boden röchelte.
»Du musst ihm die Gurgel durchschneiden«, sagte der Junge.
»Na so was, ein Fachmann. Zeig’s uns, du Hosenscheißer.«
Der Junge lief zu dem auf dem Boden liegenden Schaf hinüber, kauerte sich bei ihm nieder und packte seine Schnauze mit beiden Fäusten. Dann zog er den Kopf nach hinten und entblößte die Kehle. Er schaute den Mann mit dem Rapier aufmunternd an. Dieser stach zu. Der Körper des Schafs versteifte sich, es begann zu zittern. Blut pumpte in einzelnen Stößen hervor und prasselte hörbar auf den Boden. Der Mann hob sein Rapier erneut, diesmal zeigte die Spitze auf den Leib des Jungen.
»Lass den Buben in Ruh, Vollidiot«, schnauzte der Anführer der Reiter. Er stieg ächzend vom Pferd, reckte sich und deutete dann zu den Hühnerställen und auf die Schafe. »Holt euch die Holderkäuze und ihre Eier und stecht so viele von den Schafen ab, wie wir auf die Pferde kriegen. Wenn ihr Hornböcke findet, lasst sie leben. Die nehmen wir mit – wir können die Milch brauchen. Das hier weidet aus und richtet es her; heut Abend feiern wir das Osterfest nach!« Er blinzelte dem Jungen zu und machte eine Kopf bewegung. »Komm mal mit.«
Der Junge folgte ihm ins Haus. Mehrere Reiter waren in der Stube, und das Gepolter von oben sagte ihm, dass weitere sich in den Schlafzimmern umsahen. Er wunderte sich, dass niemand von der Familie hier war. Es sah dem Bauern gar nicht ähnlich, den Hof allein zu lassen, schon gar nicht, wenn Fremde eingetroffen waren. Die Reiter hatten Tücher, Decken und Kleidung zusammengerafft und schleuderten wahllos Kochutensilien und Werkzeug in die behelfsmäßigen Säcke. Aus dem Obergeschoss drang der Krach von zerberstender Töpferware und Federngestöber, als Zudecken und Kissen aufgeschlitzt und in Tragetaschen verwandelt wurden. Einer der Männer starrte die brennende Osterkerze im Herrgottswinkel an, als wecke sie eine verschüttete Erinnerung in ihm, von der er nicht wusste, ob er sich ihr ergeben oder sie verachten sollte; dann schlug er die Flamme mit der flachen Hand aus und steckte die teure Wachskerze in einen Sack. Aus dem Mund quollen ihm zerquetschtes Eigelb und zerbissene rote Schalen. In der Räucherkammer wurde lautes Jubelgeschrei vernehmbar – die Reiter hatten den Speck und die Würste entdeckt, die vom Osterfest vor ein paar Tagen übrig geblieben waren.
»Wer lebt hier?«, fragte der Anführer der Reiter den Jungen.
»Der Bauer und seine Leute«, antwortete dieser.
»Ist der Bauer dein
Weitere Kostenlose Bücher