Die Erbin Der Welt erbin1
ob jemand eine Münze in Tinte getaucht und sie auf sein Fleisch gedrückt hätte. Auf beiden Seiten befanden sich dicke schwarze Winkel, die den Kreis einrahmten.
»Du siehst ihr überhaupt nicht ähnlich«, sagte er schließlich. »Aber ich denke, das ist auch gut so. Viraine?«
Das Letztere galt einem Mann, der inmitten der Höflinge direkt neben dem Thron stand. Einen Moment lang glaubte ich, dass es sich um einen weiteren Ältesten handelte, aber dann bemerkte ich meinen Irrtum: Obwohl sein Haar ganz weiß war, lag sein Alter nur irgendwo um die vierzig. Auch er hatte ein Mal auf der Stirn, obwohl seins weit weniger ausgeprägt war als Dekartas. Nur der schwarze Kreis.
»Sie ist kein hoffnungsloser Fall«, sagte er und verschränkte die Arme. »An ihrem Aussehen kann man nichts ändern — ich glaube, dass selbst Schminke da nicht helfen wird. Aber kleidet sie zivilisiert, und sie wird wenigstens in der Lage sein, Adel ... auszustrahlen.« Er kniff seine Augen zusammen und musterte mich Zentimeter für Zentimeter. Meine beste Darrekleidung — eine lange Weste aus Zibetfell und wadenlange Beinlinge — trugen mir einen Seufzer ein. Ich hatte diese seltsamen Blicke wegen meiner Kleidung bereits im Salon bemerkt, aber nicht gedacht, dass es so schlimm war. Er betrachtete mein Gesicht so lange, dass ich mich fragte, ob ich meine Zähne zeigen sollte.
Stattdessen lächelte er und zeigte seine. »Ihre Mutter hat sie unterwiesen. Schaut, sie zeigt selbst jetzt keine Angst und keine Feindseligkeit.«
»Dann wird sie genügen«, sagte Dekarta.
»Genügen — wofür, Großvater?«, fragte ich. Die Anspannung im Raum wurde noch spürbarer und erwartungsvoll, obwohl er mich bereits als Enkeltochter angesprochen hatte. Es barg immer noch ein gewisses Risiko, ihn auf dieselbe vertraute Weise anzusprechen, denn mächtige Männer sind bei den seltsamsten Dingen empfindlich. Aber meine Mutter hatte mich tatsächlich erzogen, und ich wusste, es lohnte sich, das Risiko einzugehen, um mich vor den Augen des Hofes zu beweisen.
Dekarta Arameri verzog keine Miene, ich konnte nichts ablesen. »Als meine Erbin, Enkeltochter. Ich beabsichtige, dich heute dazu zu ernennen.«
Das eisige Schweigen war so solide wie der steinerne Stuhl meines Großvaters.
Ich dachte, dass er vielleicht einen Witz gemacht hatte, aber niemand lachte. Der Grund, warum ich ihm am Ende glaubte, war der erschütterte und entsetzte Ausdruck auf den Gesichtern der Höflinge, die ihren Herrn anstarrten. Außer dem einen mit Namen Viraine. Er beobachtete mich.
Es dämmerte mir, dass man irgendeine Antwort erwartete.
»Ihr habt bereits Erben«, wandte ich ein.
»Nicht so diplomatisch, wie sie sein könnte«, sagte Viraine trocken.
Dekarta beachtete es nicht. »Es ist wahr, es gibt zwei andere Kandidaten«, sagte er zu mir. »Meine Nichte und mein Neffe, Scimina und Relad. Deine Großcousins.«
Selbstverständlich hatte ich von ihnen gehört, jeder kannte die beiden. Gerüchte machten ständig den einen oder die andere zum Erben, obwohl niemand mit Sicherheit wusste, wen von beiden. Beide war ein Gedanke, der mir bisher noch nicht gekommen war.
»Wenn ich darauf hinweisen dürfte, Großvater«, sagte ich vorsichtig, obwohl es reinweg unmöglich war, in dieser Unterhaltung vorsichtig zu sein. »Mit mir gäbe es zwei Erben zu viel.«
Es waren die Augen, die Dekarta so alt erschienen ließen, aber das wurde mir erst später klar. Ich wusste nicht, welche Farbe sie ursprünglich hatten, aber das Alter hatte sie ausgebleicht und mit einem Film überzogen, so dass sie fast weiß wirkten. In diesen Augen spiegelten sich ganze Lebzeiten wider, und keine davon war glücklich.
»In der Tat«, sagte er. »Aber ich denke, gerade genug für einen interessanten Wettkampf.«
»Ich verstehe nicht, Großvater.«
Er hob seine Hand, und diese Geste wäre einst anmutig gewesen. Jetzt aber zitterte seine Hand sehr stark. »Es ist ganz einfach. Ich habe drei Erben benannt. Einem von euch wird es tatsächlich gelingen, meine Nachfolge anzutreten. Die anderen beiden werden sich zweifellos gegenseitig umbringen oder vom Sieger getötet werden. Wer nun überlebt und wer stirbt ...«, er zuckte mit den Schultern, »das müsst ihr unter euch austragen.«
Meine Mutter hatte mir beigebracht, niemals Furcht zu zeigen, aber Gefühle lassen sich nicht so ohne Weiteres unterdrücken. Ich begann zu schwitzen. Nur einmal in meinem Leben war ich das Ziel eines Mordversuchs gewesen —
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