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Die Erbin Der Welt erbin1

Die Erbin Der Welt erbin1

Titel: Die Erbin Der Welt erbin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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das ist der Vorteil, wenn man Erbin einer so kleinen und verarmten Nation ist: Niemand will deinen Posten. Aber jetzt gab es zwei andere, die genau das wollten. Lord Relad und Lady Scimina waren so reich und mächtig, wie ich es in meinen kühnsten Träumen nicht war. Ihr ganzes Leben lang hatten sie sich erbittert gegenseitig bekämpft, um ihr Ziel — die Weltherrschaft — zu erreichen. Und nun kam ich, eine Unbekannte, mittellos, und mit nur einer Handvoll Freunden, ins Spiel.
    »Es wird keine Austragung geben«, sagte ich. Man muss mir zugutehalten, dass meine Stimme nicht zitterte. »Und keinen Wettkampf. Sie werden mich auf der Stelle umbringen und dann ihre Aufmerksamkeit wieder aufeinander richten.«
    »Das ist möglich«, sagte mein Großvater.
    Mir fiel nichts anderes ein, das mich retten würde. Er war wahnsinnig, so viel war klar. Weshalb sonst sollte er die Regentschaft über die Welt als Preis für einen Wettstreit aussetzen? Sollte er morgen am Tag sterben, würden Relad und Scimina die Welt entzweireißen. Das Töten würde jahrzehntelang nicht aufhören. Und soweit es ihn betraf, war ich eine Idiotin. In dem unwahrscheinlichen Fall, dass es mir gelang, den Thron zu erobern, könnte ich das Königreich der Hunderttausend in einen Teufelskreis aus Misswirtschaft und Leiden stürzen. Das musste er doch wissen.
    Mit Wahnsinn kann man nicht diskutieren. Aber manchmal, mit ein wenig Glück und dem Segen des Elysiumvaters, konnte man ihn verstehen. »Warum?«
    Er nickte, als ob er meine Frage erwartet hätte. »Deine Mutter hat mich einer Erbin beraubt, als sie unsere Familie verließ. Du wirst für ihre Schuld einstehen.«
    »Sie liegt seit vier Monaten in ihrem Grab«, versetzte ich. »Wollt Ihr wirklich Rache an einer toten Frau nehmen?«
    »Dies hat nichts mit Rache zu tun, Enkeltochter. Es ist eine Frage der Pflicht.« Er gestikulierte mit seiner linken Hand, und ein weiterer Höfling trat aus der Gruppe heraus. Im Gegensatz zu dem ersten Mann — um ehrlich zu sein im Gegensatz zu den meisten Höflingen, deren Gesichter ich sehen konnte — war das Mal auf seiner Stirn ein nach unten offener Halbmond, der wie ein übertriebenes Stirnrunzeln aussah. Er kniete vor dem Podest, auf dem Dekartas Stuhl stand, wobei sein hüftlanger roter Zopf über eine Schulter nach vorne fiel und sich auf dem Boden ringelte.
    »Ich kann nicht darauf hoffen, dass deine Mutter dich Pflichtbewusstsein gelehrt hat«, sagte Dekarta zu mir über den Rücken des Mannes hinweg. »Sie hat ihres über Bord geworfen, um mit ihrem Süßholz raspelnden Wilden die Zeit zu vertrödeln. Ich ließ das zu — eine Nachsicht, die ich oftmals bereut habe. Und so werde ich diese Reue lindern, indem ich dich wieder in den Schoß der Familie aufnehme, Enkeltochter. Ob du lebst oder stirbst ist unerheblich. Du bist eine Arameri, und du wirst, wie wir alle, dienen.«
    Dann winkte er dem rothaarigen Mann. »Bereite sie vor, so gut du kannst.«
    Das war alles. Der rothaarige Mann erhob sich, kam auf mich zu und murmelte, dass ich ihm folgen solle. Das tat ich. So endete meine erste Begegnung mit meinem Großvater, und so begann mein erster Tag als Arameri. Es sollte nicht der schlimmste Tag sein, den ich erlebte.

 

     
     

     
    Die Keh r se it e d e r Me daill e
     
    D ie Hauptstadt meines Landes heißt Arrebaia. Sie besteht aus uralten Steinen, ihre Mauern sind mit Weinreben überwuchert, und sie wird bewacht von Tieren, die nicht existieren. Wir haben vergessen, wann sie gegründet wurde, aber sie ist seit mindestens zweitausend Jahren unsere Hauptstadt. Die Menschen dort gehen langsam und sprechen leise aus Respekt vor den Generationen, die vor ihnen diese Straßen beschritten haben — oder vielleicht, weil sie einfach nicht gerne laut sind.
    Elysium — ich meine die Stadt — ist nur fünfhundert Jahre alt und wurde erbaut, als irgendeine Katastrophe über den vorherigen Amtssitz der Arameri hereinbrach. Daher ist sie eine Heranwachsende, soweit es Städte betrifft — und eine ungesittete und ungehobelte dazu. Als meine Kutsche durch das Zentrum der Stadt fuhr, passierten uns andere Kutschen mit lautem Geklapper von Rädern und Hufen. Die Gehsteige waren voller Menschen, die schubsten, es eilig hatten und geschäftig taten, aber kein einziges Wort sagten. Die Luft war dick und durchsetzt von vertrautem Gestank, der von Pferden und abgestandenem Wasser herrührte, aber auch von undefinierbaren Gerüchen — einige beißend, andere

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