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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
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der Augen verursachte dann bei Trott ungewöhnlich starke Kopfschmerzen. Er holte sich bei Watts Tabletten, und Watts meldete es dem Kapitän. Denn er setzte voraus, daß die Kopfschmerzen irgendwie im Zusammenhang mit der Arbeit im kosmischen Raum stünden. Außerdem galt es als oberstes Gesetz der Expedition, keine Kleinigkeit zu unterschätzen. Erst später erfuhr der Kapitän aus den spöttischen, aber gutgemeinten Anspielungen der Kameraden Trotts und aus der humorvoll übertriebenen Aussage Sheldons den wahren Sachverhalt. Der Kapitän verbot den Eintritt in das Observatorium und rügte die beiden Mechaniker: Trott wegen eigenwilliger Änderung des bestimmten Programms, Sheldon wegen Verhöhnung des Kameraden. Es kostete mich Mühe, bei Sheldon das Gefühl erlittenen Unrechts zu beseitigen. Angeblich hatte er gar nicht die Absicht, Trott lächerlich zu machen. Er behauptete, daß der Kapitän überhaupt keinen Spaß verstehe. Schließlich gab er aber zu, daß er Trott doch ein bißchen zu nahe getreten war. Inzwischen hatte der Raumschiff-Konvoi zweieinhalb Millionen Kilometer seiner halbelliptischen Bahn hinter sich. Nach irdischen Begriffen ist das eine schwindelerregende Zahl. Für den Weltraum enthält sie noch zu wenig Nullen. Es war ein bedrückendes Gefühl, als die Erde nur noch einer der Milliarden blitzender Funken in der schwarzen Wüste war, in deren Mitte die grelle Sonne glühte. Die lebenspendende Sonne, wie man auf der Erde sagt: in dieser toten Wüste war sie nur ein Licht.Botschaften von der Erde erreichten uns jeden Tag. Die Radioverbindung mit der Erdzentrale funktionierte gut. Endlose Zahlenreihen kamen und gingen auf unsichtbaren Wellen, Zählmaschinen blinkten und knacksten, wenn sich die »Alte Dame« mit uns unterhielt. Unsere gehobene Laune, der Rausch der ersten Stunden und Tage, begann allmählich dem Druck der harten Wirklichkeit zu weichen. Der Gedanke, daß die ersten menschlichen Wesen in dieser Milliarden Jahre toten Einöde wir sind, war zwar erhebend, rief aber gleichzeitig ein Gefühl der Unsicherheit hervor. Im Interesse der Gemeinschaft schrieb das Bordreglement vor, daß alle, die keinen Dienst hatten, sich zur Hauptmahlzeit im größten Raum des Mutterschiffs versammelten, den wir zu unserer eigenen Ermunterung »Klub« nannten. Als ich vor sechs Uhr dort ankam, besser gesagt, anschwamm, saßen dort bereits O'Brien und einige Männer der Besatzung. Jawohl, alle saßen; befestigte Stühle und eine Einrichtung, die der Schutzleiste bei Kinderstühlen ähnelte, ermöglichten diese Lage im Zustand der Schwerelosigkeit. Das war die einzige Lösung, wie man unter diesen Bedingungen die Illusion eines normalen Milieus hervorrufen konnte. Und das war sehr wichtig.
    McKinley hatte heute Dienst als Gleichgewichtskünstler, Koch, Speiseträger und Barmann. Jeder von uns erhielt seine Zuteilung. Die Lebensmittel waren in Plastik eingepackt und wurden mit Klebestreifen am Servierbrett festgehalten. McKinley machte das Servieren der Getränke in Plastiksäckchen offensichtlich Spaß. Er schickte sie uns durch die Luft zu, und zwar mit solcher Geschicklichkeit, daß die Säckchen langsam genau zum Gesicht schwammen. Ich glaube, daß er die Funktion des Kellners ohne Murren für immer übernommen hätte.
    Unser kosmische Tafelrunde sah jedoch ziemlich barbarisch aus; die Lebensmittel mußten durch die Öffnung in der Verpackung direkt in den Mund geführt werden. Kleine, um den Kopf schwebende Teilchen könnten beim Atmen sehr gefährlich werden.
    Als Sheldon und Trott eintraten, begrüßte sie McKinley mit einer Bemerkung, die bei beiden Männern ein verlegenes Lächeln hervorrief. Er sagte ihnen, daß sie ein Fleck auf dem weißen Gewand der Expedition seien. Dann aber wandte er sich unmittelbar an den Stellvertreter des Kapitäns: »Um Gottes willen, womit kann ich dafür wohl bestraft werden?« Bei einem anderen als McKinley hätte es wie eine Herabsetzung klingen können.
    O'Brien aber lächelte und sagte: »Sie kämen aus den Strafen überhaupt nicht heraus, und nach der Rückkehr müßten Sie neunhundertsechzig Tage nachdienen.« Die Abendmahlzeit verlief in geselliger Unterhaltung, die solche Augenblicke ebenso behaglich macht wie Licht oderWärme. Ich glaube, daß die Zivilisation eigentlich schon damals begann, als der Mensch aufhörte, in irgendeinem Winkel seiner Höhle seine Beute zu kauen, als er seine Speisen und seine Gedanken mit anderen teilte. Ich beobachtete während

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