0686 - Horror am Himmel
Er sah die Zelle, die beschmierten Wände, den verfluchten Fußboden, auf dem der Speichel und das Erbrochene der Gefangenen eingetrocknet waren.
Er sah den Schaumstoff der Matratze, und er sah die Pritsche, deren Eisenfüße im Betonboden verankert waren. Er sah die verdammten Gitter - ja, sie hatten im Todestrakt tatsächlich noch Gitter, damit er immer unter Beobachtung bleiben konnte. Und sie ließen ihn nicht außer Kontrolle. Auf eine Kamera hatten sie verzichtet, denn zweimal waren sie von den Vorgängern in der Zelle zerstört worden, dennoch konnte er sich nicht frei bewegen, denn dort, wo die Tür zur Todeskammer hinführte, hockten stets zwei Wärter so günstig, dass sie die Zelle im Blick behalten konnten.
Sie sahen ihn, er sah sie.
Die Wächter hatten ihn mit ihrer falschen Freundlichkeit auf die Henkersmahlzeit angesprochen, doch er hatte ihnen nur ins Gesicht gespuckt.
»Dann nicht!«, hatte der Dicke zu ihm gesagt und nur gegrinst, bevor er noch hinzufügte: »Bald wirst du braten, Cigam. Du wirst auf dem Stuhl sitzen, zuerst zittern, anschließend schreien und später rösten wie ein Stück Toast.«
Nach dieser Bemerkung war er wieder gegangen und hatte sich mit seinem fetten Hintern auf den Stuhl gesetzt, ein Aktmagazin provozierend aufgeschlagen und so gehalten, damit Cigam es auch sehen konnte. Den interessierten die nackten, perfekten Frauenkörper nicht, für ihn waren andere Dinge wichtig.
Er wollte nicht rösten, er würde sich zwar auf den Stuhl setzen, aber er wollte überleben, und er würde überleben, das hatte er sich fest vorgenommen.
Sie konnten alles versuchen, sie würden alles versuchen, aber sie würden ihn nicht töten!
Er hatte es ihnen auch gesagt und als Antwort erhalten: »Das sagen sie alle.«
»Bei mir täuscht ihr euch!«, hatte er zurückgerufen.
»Noch eine Stunde!«, rief der dicke Wächter. »Dann röstest du, Cigam, dann brennt es dir den Arsch und noch mehr weg!«
»Fahr zur Hölle, Fettsack!«
»Nach dir, Cigam, nach dir!«
»Nein, Fettsack, du irrst dich!«
Der Wächter winkte ab und blätterte gelassen um, damit er sich die nächste Pose anschauen konnte.
Cigam aber grinste. Es war ein hinterhältiges und gleichzeitig wissendes Grinsen. Er wusste Bescheid, er war derjenige, der es schaffen konnte.
Sechs Menschenleben hatte er auf dem Gewissen. Drei Männer, zwei Frauen, ein Kind.
Er hatte sie zu ihm führen wollen, zu seinem großen Beschützer. Sie wollten nicht, zeigten sich widerspenstig, und da hatte er eben zugestoßen.
Mit einem Messer und einer Machete, und er hatte zugeschaut, wie das Blut den Boden tränkte.
Sie hatten ihn erwischt. Lachend hatte er sich ihnen ergeben und hatte ihnen nicht den Gefallen getan, auch nur den Hauch von Widerstand zu leisten.
Wegen der erdrückenden Beweise war alles sehr schnell gegangen. Sie hatten fast zwei Wochen für die Verhandlung festgesetzt. Nach vier Tagen war alles vorbei gewesen. Cigam hatte überhaupt nichts abgestritten und selbst den alten Richter geschockt, der sich nach seinen Motiven erkundigt hatte.
Noch immer sah er das blasse Gesicht des Mannes vor sich. Die Verständnislosigkeit für diese Tat darin, und Cigam hatte ihm gesagt, weshalb er morden musste.
»Er wollte es!«
»Und wer ist er?«
»Der Teufel, euer Ehren!«
Danach hatte keiner mehr etwas gesagt. Aber er wurde an einen Fall erinnert, der schon lange zurücklag. Damals hatte ein Killer namens Charles Manson ein Blutbad im Namen des Teufels angerichtet und auch eine bekannte Schauspielerin namens Sharon Tate dabei getötet. Sie stellten ihn mit Manson auf eine Stufe.
Man verurteilte ihn zum Tode. Nach der Anhörung des Spruchs hatte er nur gelächelt und ihnen erklärt, dass er nicht sterben würde. Dass in ihm Kräfte wohnten, die stärker seien als der Tod.
Viel stärker…
Sie hatten ihm nicht geglaubt und ihn in eine Zelle gesteckt, wo er jetzt hockte.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, denn er hörte Schritte. Am Klang erkannte er, wer da zu ihm wollte.
Es war der Pfarrer!
Plötzlich überzog ein kaltes Grinsen sein Gesicht. Der sollte nur kommen, er würde sich wundern.
Es war normalerweise so, dass die Geistlichen die Zelle der Todeskandidaten betraten. Nicht bei ihm. Er hatte dem Pfarrer deutlich genug erklärt, was er von ihm hielt, und so blieb der Mann draußen, flankiert von den beiden Wächtern.
Der Geistliche sprach durch das Gitter zu ihm. »Hast du es dir noch einmal überlegt?«
Cigam grinste.
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