Die Erde
gab sich hin, wirkte aufgebläht durch die Dicke seines Pelzes, den das Wollfett und der Staub mit einer schwarzen Kruste panzerten. Unter der flinken Spitze der Scheren kam das Tier aus dem Vlies heraus wie eine nackte Hand aus einem dunklen Handschuh, ganz rosig und frisch, im goldigen Schnee der inneren Wolle. Ein mit gespreizten Schenkeln und gerade hochgerecktem Kopf auf den Rücken gelegtes Muttertier, das ein langer dürrer Kerl zwischen seine Knie klemmte, stellte seinen Bauch zur Schau, der das verborgene Weiß, die erschauernde Haut einer Frau hatte, die entkleidet wird. Die Scherer verdienten drei Sous pro Tier, und ein guter Arbeiter konnte ihrer zwanzig am Tage scheren.
In Gedanken versunken, sann Hourdequin darüber nach, daß die Wolle auf acht Sous das Pfund gesunken war; und man mußte sie schleunigst verkaufen, damit sie nicht zu sehr trocknete, was sie um ihr Gewicht brachte. Im vorigen Jahr hatte der Milzbrand die Herden der Beauce dezimiert. Es wurde mit allem schlimmer und schlimmer, das war der Ruin, der Bankrott der Erde, seit die Getreidepreise von Monat zu Monat mehr sanken. Und da er wieder von den Sorgen eines Landwirts gepackt wurde und im Hof schier erstickte, verließ er das Gehöft, ging er fort, um einen kurzen Blick auf die Felder zu werfen. Immer endeten seine Streitereien mit der Cognette so; nachdem er gewettert und die Fäuste geballt hatte, zog er ab, und ihn bedrückte ein Leid, von dem ihm allein der Anblick seines Korns und seines Hafers, deren Grün bis ins Unendliche wogte, Erleichterung verschaffte.
Ach, diese Erde, wie er sie schließlich liebte! Und zwar mit einer Leidenschaft, in die er den gierigen Geiz des Bauern nicht einließ, mit einer gefühlvollen, fast intellektuellen Leidenschaft, denn er empfand die Erde als die gemeinsame Mutter, die ihm sein Leben, seines Lebens Notdurft geschenkt hatte und in die er wieder eingehen würde. Da er von klein auf in ihr herangewachsen war, waren sein Haß auf das Gymnasium, das Verlangen, seine Bücher zu verbrennen, daher gekommen, daß er die Freiheit, die schönen Galoppaden querfeldein über die Sturzäcker, den leichten Rausch der freien Luft in den aus allen vier Himmelsrichtungen wehenden Winden der Ebene gewohnt war. Später, als er seinen Vater beerbte, hatte er die Erde als Liebhaber geliebt, seine Liebe war reif geworden, als habe er sie von da an rechtmäßig geehelicht, um sie zu befruchten. Und diese zärtliche Zuneigung wuchs nur, je mehr er ihr seine Zeit, sein Geld, sein ganzes Leben schenkte, als wäre sie eine gute und fruchtbare Frau, der er ihre Launen und sogar ihre Betrügereien verzieh. Viele Male brauste er auf, wenn sie sich schlecht zeigte, wenn sie zu trocken oder zu feucht war und die Saaten fraß, ohne Ernten zurückzugeben; dann zweifelte er, es kam mit ihm dahin, daß er sich beschuldigte, ein zeugungsunfähiges oder ungeschicktes Mannestier zu sein: die Schuld müsse an ihm liegen, wenn er ihr kein Kind gemacht habe. Seit dieser Zeit ließen ihn die neuen Methoden nicht mehr los, stürzten sie ihn in Neuerungen, und er bedauerte, daß er auf dem Gymnasium ein Faulpelz gewesen war und nicht die Vorlesungen an einer jener Landwirtschaftsschulen gehört hatte, über die sich sein Vater und er lustig zu machen pflegten. Wie viele unnütze Versuche, fehlgeschlagene Experimente, und die Maschinen, die sein Gesinde aus den Fugen gehen ließ, und der Kunstdünger, bei dem der Handel betrog! Dabei war sein Vermögen draufgegangen, La Borderie brachte ihm kaum genug ein, daß es zum Brotessen langte, bis die Agrarkrise ihn vollends erledigen würde. Einerlei, er würde der Gefangene seiner Erde bleiben, er würde in ihr seine Knochen beerdigen, nachdem er sie bis zum Schluß als Frau behalten hatte.
Sobald er an diesem Tage draußen war, erinnerte er sich an seinen Sohn, den Hauptmann. Sie beide, sie hätten so gute Arbeit geleistet! Aber er schob die Erinnerung an diesen Dummkopf beiseite, der lieber einen Säbel schleppte. Er hatte kein Kind mehr, er würde einsam enden. Dann kam ihm der Gedanke an seine Nachbarn, an die Coquarts vor allem, Grundbesitzer, die selber ihr Gehöft in SaintJuste bewirtschafteten, der Vater, die Mutter, drei Söhne und zwei Töchter, und die kaum mehr Glück hatten. Auf La Chamade düngte Robiquet, der Pächter, dessen Pachtvertrag ablief, nicht mehr, ließ den Besitz verkommen. So war's, überall stand es schlecht, man mußte sich totarbeiten und durfte sich nicht
Weitere Kostenlose Bücher