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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wie dumm die Männer sind. Vielleicht würde die Cognette, selbst wenn man sie verriet, die stärkere bleiben, und über ihn würde man alsdann herfallen, um sich einen lästigen Zeugen vom Halse zu schaffen.
    »Nichts gesehen, überhaupt nichts gesehen!« sagte er mehrmals mit matten Augen und reglosem Gesicht.
    Als Hourdequin wieder den Hof überquerte, fiel ihm auf, daß Jacqueline dort geblieben war und in der Furcht vor dem, was im Schafstall gesagt wurde, nervös die Ohren spitzte. Sie tat so, als beschäftige sie sich mit ihrem Federvieh, den sechshundert Hühnern, Enten, Tauben, die inmitten eines unausgesetzten Spektakels flatterten, gackerten, auf der Dunggrube scharrten; und da der kleine Schweinehirt einen Eimer mit Kleiewasser umgerissen hatte, den er zu den Schweinen brachte, verschaffte sie ihren Nerven ein wenig Entspannung, indem sie ihn ohrfeigte. Aber ein rascher Blick, den sie auf den Hofbesitzer warf, beruhigte sie: er wußte nichts, der Alte hatte seinen Mund gehalten. Ihre Unverschämtheit wurde dadurch noch größer.
    Daher zeigte sie sich beim Mittagessen von herausfordernder Fröhlichkeit. Die schweren Arbeiten hatten nicht begonnen, noch gab es nur vier Mahlzeiten: in Milch gebrocktes Brot um sieben Uhr, Weinbrot zu Mittag, Brot mit Käse um vier Uhr, Suppe und Speck um acht Uhr. Gegessen wurde in der Küche, einem großen Raum mit einem langen Tisch, zu dessen beiden Seiten zwei Bänke standen. Der Fortschritt war darin nur durch einen eisernen Herd vertreten, der eine Ecke des riesigen Rauchfangs einnahm. Hinten tat sich das schwarze Loch des Backofens auf; und die glänzenden Kasserollen, altertümliche Küchengeräte, reihten sich längs der verräucherten Wände in guter Ordnung nebeneinander. Da die Magd, ein dickes häßliches Mädchen, am Morgen gebacken hatte, stieg ein guter Duft nach warmem Brot aus dem offengelassenen Backtrog auf.
    »Habt Ihr denn heute gar keinen Hunger?« fragte Jacqueline Hourdequin dreist, der als letzter heimkam.
    Seit dem Tode seiner Frau und seiner Tochter setzte er sich, um nicht mutterseelenallein zu essen, an den Tisch seines Gesindes, so wie in alter Zeit; und er setzte sich an einem Ende auf einen Stuhl, während die Haushälterin am anderen Ende dasselbe tat. Es waren vierzehn Personen, das Dienstmädchen trug auf.
    Als sich der Hofbesitzer, ohne zu antworten, gesetzt hatte, sagte die Cognette, sie wolle das Weinbrot zubereiten. Das waren geröstete Brotscheiben, die dann in eine Suppenschüssel gebrockt und mit Wein begossen wurden, den man mit Ripopée zuckerte, wie man früher in der Beauce die Melasse nannte. Und sie verlangte noch einen Löffel voll davon nach, sie wollte absichtlich die Männer verwöhnen, sie brachte Scherze hervor, die die Männer in lautes Gekicher ausbrechen ließen. Jeder ihrer Sätze war doppelsinnig, gemahnte daran, daß sie am Abend fortgehen wollte: man nehme einander, man gehe auseinander, und wer niemals mehr etwas davon abkriege, dem würde es leid tun, daß er seinen Finger nicht ein letztes Mal in die Sauce getunkt habe. Der Schäfer aß und schaute stumpfsinnig drein, während der Herr, der sich schweigsam verhielt, ebenfalls nicht zu verstehen schien. Um sich nicht zu verraten, war Jean gezwungen, mit den anderen zu lachen, obwohl er verärgert war; denn er kam sich bei alledem nicht gerade anständig vor.
    Nach dem Mittagessen gab Hourdequin seine Anweisungen für den Nachmittag. Draußen waren nur ein paar kleine Arbeiten zu Ende zu führen; der Hafer wurde eingewalzt, das Pflügen der Brachen wurde beendet, bis man mit der Luzerne und Kleemahd beginnen konnte. Deshalb behielt er zwei Mann zurück, Jean und einen anderen, die den Heuboden sauber machten. Und er selber, der nun niedergedrückt war und dem die Ohren sausten unter dem Blutandrang, fing an, sehr unglücklich umherzulaufen, ohne daß er wußte, mit welcher Beschäftigung er seinen Kummer töten sollte. Die Scherer hatten sich unter einem der Schuppen in einer Ecke des Hofes niedergelassen. Er ging hin, pflanzte sich vor ihnen auf, sah ihnen zu.
    Es waren ihrer fünf, schmächtige und gelbhäutige Kerle, die mit ihren großen Scheren aus blinkendem Stahl dahockten. Der Schäfer trug die Schafe herbei, denen die vier Füße zusammengebunden waren und die wie Schläuche aussahen, legte sie in einer Reihe auf die gestampfte Erde des Schuppens, wo sie nur noch blökend den Kopf heben konnten. Und wenn ein Scherer eines von ihnen packte, verstummte es,

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