Die Erde
Schafstall beendete, kam er auf den Einfall, den Schäfer Soulas auszufragen. Dieser Alte von fünfundsechzig Jahren war seit einem halben Jahrhundert auf dem Gehöft, und er hatte nichts dabei zusammengespart, weil alles durchgebracht worden war von seiner Frau, einer Säuferin und Schlampe, die er zu seiner Freude schließlich zu Grabe tragen konnte. Er zitterte, daß man ihn wegen seines Alters bald entlassen werde. Vielleicht würde der Herr ihm helfen; aber wußte man denn, ob die Herren nicht zuerst stürben? Würden sie jemals etwas für den Tabak und ein Schnäpschen geben? Übrigens hatte er sich in Jacqueline eine Feindin geschaffen, die er mit dem Haß eines alten eifersüchtigen Dieners verabscheute, der über das rasche Glück dieser Zuletztgekommenen empört ist. Wenn sie ihm nun Anweisungen gab, brachte ihn die Vorstellung außer sich, daß er sie in Lumpen, im Pferdemist gesehen hatte. Sie würde ihn sicher entlassen haben, wenn sie gespürt hätte, daß das in ihrer Macht lag, und das machte ihn torsichtig, er wollte seine Stellung behalten, er ging jedem Streit aus dem Wege, obwohl er sich der Unterstützung des Herren sicher zu sein glaubte.
Der Schafstall hinten im Hof nahm das ganze Gebäude ein, einen überdachten Gang von achtzig Metern, in dem die achthundert Schafe des Gehöfts nur durch Hürden voneinander getrennt waren: hier die Mutterschafe in verschiedenen Gruppen; da die Lämmer; weiter weg die Widder. In zwei Monaten würde man die Mannchen kastrieren, die man zum Verkauf aufzog, während man die Weibchen behielt, um die Herde der Mutterschafe aufzufrischen, von denen die ältesten jedes Jahr verkauft wurden; und die Widder deckten die jungen Weibchen zu festgesetzten Zeiten, Dishleys gekreuzt mit Merinos, prachtvoll mit ihrem blöden und sanften Aussehen, ihrem schweren Kopf mit der großen abgeplatteten Nase, der Nase eines leidenschaftlichen Mannes. Wenn man den Schafstall betrat, benahm einem ein strenger Geruch den Atem, die ammoniakhaltige Ausdünstung der Streu, des alten Strohs, auf das man drei Monate hindurch wieder frisches Stroh legte. Längs der Mauern ermöglichten Hakeneisen, die Raufen höherzustellen, je mehr die Mistschicht anstieg. Durch die breiten Fenster kam jedoch Luft herein, und die Diele des Heubodens darüber bestand aus beweglichen Balken, die man zum Teil entfernte, wenn der Futtervorrat abnahm. Es hieß übrigens, diese lebendige Wärme, diese in Gärung befindliche, weiche und warme Schicht sei notwendig für das gute Gedeihen der Schafe.
Als Hourdequin eine der Türen aufstieß, erblickte er Jacqueline, die durch eine andere Tür entschlüpfte.
Auch sie hatte an Soulas gedacht, sie war unruhig, sie war sicher, mit Jean belauert worden zu sein; aber der Alte blieb unzugänglich, schien nicht zu begreifen, warum sie gegen ihre Gewohnheit liebenswürdig tat.
Und beim Anblick der jungen Frau, die den Schafstall verließ, in den sie sonst niemals ging, fieberte der Hofbesitzer geradezu vor Ungewißheit.
»Na, Vater Soulas«, fragte er, »nichts Neues heute früh?«
Der Schäfer, der sehr groß, sehr hager war und ein langes, von Falten durchfurchtes Gesicht hatte, das gleichsam mit der Hippe aus einem Eichenknorren gehauen war, antwortete langsam:
»Nein, Herr Hourdequin, überhaupt nichts, bloß, daß die Scherer angekommen sind und sich gleich an die Arbeit machen werden.«
Der Herr plauderte eine Weile, um sich nicht den Anschein zu geben, er frage ihn aus. Die Hammel, die man da seit den ersten Frösten um Allerheiligen fütterte, würden bald hinausgehen, gegen Mitte Mai, sobald man sie in den Klee führen könnte. Die Kühe, die wurden kaum vor der Ernte auf die Weide gebracht. Diese so trockene Beauce, der es an natürlichen Weideplätzen gebrach, gab jedoch gutes Fleisch; und wenn die Rinderzucht dort unbekannt war, so lag das an Schlendrian und Trägheit. Jedes Gehöft mästete sogar nur fünf oder sechs Schweine für den eigenen Verbrauch.
Mit seiner brennendheißen Hand streichelte Hourdequin die Mutterschafe, die erhobenen Kopfes mit ihren sanften und hellen Augen herbeigelaufen waren, während sich die Woge der Lämmer, die weiter weg eingesperrt waren, blökend gegen die Hürden drängte.
»Na und, Vater Soulas, habt Ihr heute früh nichts gesehen?« fragte er wieder und sah ihm dabei gerade in die Augen.
Der Alte hatte gesehen, aber wozu reden? Seine Selige, die Schlampe und Säuferin, hatte ihn gelehrt, wie lasterhaft die Frauen und
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