Die Erfolgsmasche
Du und ich, wir werden bestimmt ein super Team. Wir werden uns aneinander gewöhnen. Ich mache dir jetzt einen Vorschlag zur Güte: Ich hacke nicht mehr wütend auf dich ein, dafür gibst du mir meinen Text wieder, einverstanden? Ich habe schließlich im Schweiße meines Angesichts schon drei Seiten vollgeschrieben. Viele kreative, muntere Morgenbuchstaben hackte ich in deine Tastatur, und du schlucktest sie brav und kommentarlos. Aber als ich auf »speichern« drückte oder vielleicht auch knapp daneben, flogen sie plötzlich quer über den Bildschirm. Und danach waren sie unauffindbar.
Doch Äppel hat einen schlechten Charakter. Er weigert sich, mein Eigentum herauszugeben. Bitte, wenn das so ist - ich weiß mir anders zu helfen. Ich greife hinter mich ins Regal
und ziehe das Telefonbuch hervor. Darin finde ich, was ich suche: einen Mann, der etwas von Computern versteht. Ich rufe ihn an, und er verspricht so bald wie möglich herzukommen.
Den Äppel scheint das nicht zu schrecken: »Anlageberater von Quizshowgewinnerin erhängte sich!«, teilt er mir sensationslüstern mit. »Mehr« bietet er blinkend an.
Meine Stimmung ist inzwischen auf dem Nullpunkt angelangt. Diese Reizüberflutung! Wie kriegen andere das bloß hin? Man wird ja ständig abgelenkt! Die Zeit vergeht, und mir qualmt der Schädel, als der Computer mich auffordert: »Klicken Sie hier, und erfahren Sie, wie Sie Ihren Mundgeruch auf natürlichem Weg beseitigen!« Woher will er wissen … Habe ich etwa … Ich hauche mir auf die Hand. Ich habe doch vorhin erst Zähne geputzt. Aber Äppel will nur spielen. »Glück zu zweit! Attraktive Singles in Ihrer Nähe!«
Es klopft. Wie aufs Stichwort. Hat Äppel schon einen attraktiven Single in meiner Nähe für mich aufgespürt? Zuzutrauen wäre es ihm.
Nein, es ist der Computermensch. Von der Firma Compact Contact. »Bin ich hier richtig bei Rheinfall?«
»Ja. Treten Sie näher.« Ich flüstere automatisch, weil die Kinder immer noch schlafen. Einladend halte ich ihm die Wohnungstür auf und lege den Finger auf die Lippen.
Er murmelt erschrocken seinen Namen, den ich nicht verstehe. Der recht große, sympathisch wirkende Mann um die Ende dreißig ist trotz der Minustemperaturen, die schon seit Wochen herrschen, mit dem Fahrrad da und streift sich artig die Schuhe ab.
»Ich habe auf die Klingel gedrückt, aber nichts gehört.«
»Die ist abgestellt. Wenn schon die Glocken andauernd läuten, muss es nicht auch noch an der Wohnungstür klingeln.«
Der Computertyp enthält sich höflicherweise jeglichen Kommentars. Andere Gäste, die mich zum ersten Mal besuchen und minutenlang vergeblich auf die Klingel drücken, sagen Sachen wie: »Ja, dazu sind Klingeln schließlich da - dass man sie abstellt.« Wenn die wüssten, wie recht sie haben! Wenn ich nur die Glocken abstellen könnte.
Der Computerexperte kommt sofort zum Thema: »Wo brennt’s denn?«
Erleichtert führe ich den Menschen, der sich nun auf schüchternes Nachfragen hin als Siegfried vorstellt, in mein Arbeitszimmer. Siegfried trägt eine Brille, die sofort beschlägt. Er nimmt sie ab und schaut mich aus sehr braunen Augen fragend an.
»Ähm ja, also, ich habe einen neuen Computer, und der macht mit mir, was er will«, stammle ich kleinlaut und wundere mich über meine Verlegenheit. Wofür schäme ich mich eigentlich? Für meine mangelnde Technikbegabung natürlich.
Siegfried entledigt sich seines dunkelblauen Tuchmantels und sieht sich suchend um.
»Geben Sie her.« Ich nehme das teure Stück entgegen. Da wir in unserer Wohnung keine Garderobe haben, jedenfalls keine, die nicht schon aus allen Nähten platzt, hänge ich das schwere Gewand meines neuen Hausfreundes mit einem Bügel an die Tür des Gästeklos.
Siegfried hat inzwischen meinen Äppel, der so tut, als könnte er kein Wässerchen trüben, auf dem Schreibtisch entdeckt. Seine Augen leuchten.
»Das ist ja das allerneueste Modell!« Er reibt sich die eiskalten Hände.
Klar, der arme Mann. Bei minus siebzehn Grad Fahrrad fahren. Durch Eis und Schnee. Wenn ich der Adresse aus den Gelben Seiten Glauben schenken darf, ist er aus Grödig
hierhergestrampelt. Im Schatten des mächtigen Untersbergs. Dass ihn keine Lawine überrollt hat, stimmt mich froh.
Siegfried nimmt auf meinem Stuhl Platz - ich entferne hastig die alte Strickjacke, die ich mir wegen eines akuten Schweißausbruchs vom Leibe gerissen habe - und fuhrwerkt geschäftig mit der Maus herum.
Plötzlich geht alles ganz
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