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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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Audrey.
    Ja, gut. Aber woher weiß ich, dass er Ihnen keine Waffe an den Kopf hält oder ein sehr scharfes weißes Plastikmesser.
    Sie können mir ruhig glauben. Es ist alles in bester Ordnung.
    Aber wenn wirklich alles in bester Ordnung ist …
    Ich gebe Ihnen mein Wort.
    Und Sie sind Pilot …
    Ja.
    Vor dem Start haben Sie im Cockpit etwas gemacht. Ich habe es durchs Fenster gesehen.
    Aha.
    Was habe ich da gesehen. Sagen Sie es mir, dann komme ich heraus.
    Sie haben gesehen, wie ich den Piloten geküsst habe.
    Dachte ich’s mir doch.
     
    K lemm du sie dir unter die Achsel. Nein, du.
     
    Du.
    Jemand klopft auf meinen Panzer. Winnifred.
    Was.
    Hallo da drinnen.
    Aber ich kann mich nicht rühren. Wann hat mein Herz zuletzt geschlagen. Wenn ich mich zwischen zwei Achselhöhlen entscheiden muss, nehme ich Lindas.
    Ich glaube, sie ist traumatisiert, sagt Linda.
    Sie hat wahrscheinlich einen Schock, sagt Chuck.
    Ja, einen Kälteschock. Warum mussten sie mich auch gleich neben dem Kühlschrank unterbringen. Immer wenn Chuck die Tür aufmacht und den Inhalt inspiziert, weht ein eiskalter Windhauch durch mein Schloss. Warum. Irgendjemand hat einmal gesagt, es gebe eigentlich gar keine Kälte, nur verschiedene Wärmegrade. Was für ein Unsinn. Ein Kühlschrank ist der beste Beweis dafür, dass Kälte etwas Konkretes ist. Ein Kühlschrank ist ein Rechteck aus Kälte.
    Ich träume von einem warmen Armaturenbrett.
    Die Fahrt gestern Abend war schon komisch, normalerweise fahre ich nämlich auf dem Armaturenbrett mit (ich kralle einfach die Klauen in die Lüftungsschlitze und klammere mich fest!), aber da ich gestern Abend mit meinem Schloss und sämtlichem Komfort, wie sie das nennt, umsiedeln musste, quetschte sie mich der Einfachheit halber samt Schloss auf den wenig komfortablen Rücksitz. Ganz schön kalt da hinten. Und ziemlich steil. Sodass ich für den Weg zum Fenster noch länger brauchte als sonst. Als ich es schließlich geschafft hatte, steckte ich den Kopf hindurch. Der Tacho zeigte 20 Meilen pro Stunde. Zwanzig! Da bin ich ja schneller. Sie sagte: Welcher Präsident kommt noch nach Harrison. Lincoln. Nein.
    Ich sah mich nach einem Salatblatt um, das ich hätte fallen lassen können. Kommt drauf an, welcher Harrison.
    Über dem Armaturenbrett lockte flirrende Hitze. Komm herbei, Schildkröte.
    Da ist es, sagte sie. Taft Street.
    Worauf ich treppauf befördert und in Lindas Obhut übergeben wurde. Als sie ging, steckte ich den Kopf durchs Fenster und sah ihr nach. Haben Flugzeuge denn keine Armaturenbretter. Warum nimmst du mich nicht mit. Warum.
    Jetzt streiten sie, wer sich meine Wenigkeit unter die Achsel klemmen darf. Danke, verzichte.
    Linda sagt: Dreh die Heizung auf volle Pulle.
     
    Im Schutz meines Panzers rufe ich mir die alte Wohnung ins Gedächtnis, denn ich habe sie, wie sagt man noch so schön, verinnerlicht. Zum Beispiel die rote Leuchte des Feuermelders. Ich sehe sie förmlich vor mir. Die Feuertreppe. Den Herd. Die Zimmerdecke, die unter Cliff zum Überhang mutierte. Die Wand, der Zähne wuchsen, damit man daran klettern konnte. Ja, wenn die neuen Stimmen und das Kälterechteck nicht wären, könnte es glatt die alte Wohnung sein.
    Chuck sagt: Übertragen Schildkröten nicht Salmonellen.
    Soso. Mit Chuck werde ich so schnell wohl nicht warm werden.
    Wann hat mein Herz zuletzt geschlagen. Gestern, glaube ich. Wenn mein Herz tatsächlich einmal schlägt, ist es überwältigend. Auch wenn danach zwangsläufig Ebbe ist.
    Oder besser: EBBE. Die EBBE ist eigentlich eher deprimierend. Denn wenn das Herz so selten schlägt, will die EBBE schier kein Ende nehmen. Die EBBE ist wie ein Pfad, der mit jedem Schritt schmaler wird. Bis man schließlich umkehren muss, weil der Pfad sich irgendwo im Nirgendwo verliert und sich das Weitergehen erübrigt.
    In der zugigen Präsidentenküche wird es langsam warm. Ich komme aus meinem Panzer. Und schleppe mich zum Fenster. Linda telefoniert.
    Wahnsinn, sagt sie. Sie streckt den Kopf aus dem Fenster. Wie goldig.
    Pause.
    Ja, wirklich. Sie lebt. Sie beobachtet mich.
    Ich breche den Blickkontakt mit Linda ab und mache mich zum Pool auf. Sie haben mich also für tot gehalten. Das schmerzt. Ein wenig.
    Wasser. Ich tauche den Kopf hinein und trinke. Auf dem Grund meines Pools steht ein Rezept für Zitronentorte.
    An der Poolkante schwebe ich immer einen Moment lang mit allen vieren in der Luft und balanciere auf dem Bauch. Ich stelle mir vor, dass ich zur Landung ansetze.

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