Die Erziehung - Roman
Manchmal läuft ihm das schwarze Wasser zwischen die Lippen, und er muss es wieder ausspucken. Der Eier strömt in ihn hinein. Es ist ein verwirrender Gedanke, dass der Erzeuger so den Fluss in seine Eingeweide aufnimmt. Gaspard hat ihn stets als einen Monolithen wahrgenommen, mit roher Oberfläche und unergründlichem Inhalt. Nicht ich bin es , dachte er, sondern der Fluss . Er blickt um sich. Die nächsten Höfe liegen in weiter Ferne, nichts als die vom Regen ausgewaschenen, vom Wind durchpeitschten Ebenen sind zu sehen. Langsam geht er an dem Baum entlang, der seinen Vater erdrückt, zurück. Er erreicht das Ufer. Der Erzeuger schaut ihm zu, bestürzt erst, stumm, dann werden seine Schreie lauter. Sie richten sich nicht mehr an Gaspard, sie rufen nach einer Hilfe, die nicht kommen wird. Der Sohn ist auf festem Boden, das Hemd klebt auf seinem Oberkörper, der Strom hat seine Holzschuhe mitgerissen. Schlotternd und verwirrt sieht er zu, wie der Fluss anschwillt, der Vater kurze spitze Schreie ausstößt. Seine Stimme überschlägt sich so, dass Gaspard beinahe an die Wiederauferstehung des Schweins glauben könnte. Die braunen Haare des Erzeugers verschwinden für Augenblicke, seine Hände umfassen in einer obszönen Umarmung den Tierkadaver. Der Fluss, denkt Gaspard, wird die Spuren wegspülen, den Körper mittragen. Nichts wird von der Überschwemmung zurückbleiben, nichts als Verwüstung und Leere. Der Vater wird verschwunden sein, mit dem Wasser davongetrieben, und den Schweinestall mit sich nehmen, seinen Schatten im Gegenlicht, den Geschmack der mit Blut vermischten Jauche, den malvenfarbigen Himmel über den gepflügten Feldern. Die Arme schießen aus dem Wasser heraus, spannen sich wütend und fallen wieder, reglos, verschlungen, verschwunden. Gaspard weicht zurück. Er wird Quimper verlassen. Nach Paris gehen. Den Vater vergessen, den der Fluss fesselt und knebelt, und auch die Mutter, deren ausgedörrten Körper man einen Monat später vor dem erkalteten Kamin finden wird. Ihr Gesicht wird braun sein, das schwarze Loch ihres Mundes nichts mehr erzählen. Ihre Füße werden in einer gefrorenen Urinlache stecken. Draußen werden die Schweinekadaver auf dem vereisten Boden verstreut liegen, ein paar Säue werden überleben, gesättigt vom Fleisch ihrer Ferkel. Im Augenblick aber taucht Gaspard in den Wald ein.
Erschöpft von der Hochzeit ließ sich Gaspard völlig betrunken aufs Bett fallen. Adeline, engelgleich in ihrem Musselinkleid, blieb vor ihm stehen. Sie schaute ihn mit dankerfülltem Blick an, obwohl er ihr keine Beachtung schenkte. Sie wusste um seine zweifelhafte Herkunft, untersagte sich aber jede Frage über eine Vergangenheit, die er hinter sich gelassen hatte. Gaspards Aufstieg hatte Adeline d’Annovres nicht getäuscht. Sie hatte seine ersten Schritte in der Gesellschaft mitverfolgt, dann die Manipulation ihrer Eltern. Die besondere Neigung ihres Vaters zu den Männern hatte sie schon als Kind entdeckt. Als sie acht war, hatte sie den Comte im Boudoir mit einem Laufburschen überrascht. Sie hatte auch die Affäre zwischen ihrem Vater und Gaspard mitbekommen. Sie kannte die Einzelheiten ihres Arrangements nicht, machte sich aber nichts daraus, dass sich ihr Vater ausnutzen ließ; nie hatte Adeline d’Annovres für einen ihrer Elternteile Liebe empfunden, die Blutsbande gespürt. Ihre Mutter, eine oberflächliche Frau, hatte ihr Leben der Gestaltung von mondänen Empfängen verschrieben, was bei Adeline zu einer Verachtung der Konventionen geführt hatte. Was ihren Vater betraf, so hatten seine Banalität und seine Unterwerfung unter den Despotismus der Comtesse ihr bald jedes Interesse an ihm genommen. Was ihre Mutter dem Grafen nicht verzieh, war, wie Adeline wusste, dass er ihr kein Vergnügen verschaffen konnte. Womit sie wohl kaum allein steht , dachte sie angesichts der zerknirschten, prüden Gesichter der Frauen ihres Kreises. Tugend und Moral dienten als Trost. Die Päderastie ihres Vaters kümmerte sie wenig, und sie verachtete die Selbstzufriedenheit, die sie auf dem Gesicht ihrer Mutter las, wenn diese die Bänder ihres Korsetts zunestelte, mit angehaltenem Atem ihre Brüste zusammendrückte. Adeline d’Annovres verachtete den Adel und hatte sich vorgenommen, kein Opfer seiner Bequemlichkeit zu werden. Aber sie war eine Frau, und die Zwänge dieser Bestimmung begrenzten ihre Möglichkeiten. Gaspard war ihr wie eine Ausflucht erschienen. Sie hatte sich Gedanken gemacht über
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