Die Erziehung - Roman
Heute kommt nicht die leiseste Höflichkeitsbekundung über seine Lippen.« Der Comte schwieg. Gaspard entglitt ihm, er erkannte den Jungen nicht mehr, der einst ihren Kreis frequentiert hatte und den er noch immer abgöttisch liebte. Nein, es war ihm nicht gelungen, seine Zuneigung zu kaufen, die Unerbittlichkeit seines Blickes und der Ernst seines Gesichts sprachen für sich. Seine Züge waren im Übrigen ausgeprägter geworden, die Zerbrechlichkeit und Sanftheit hatten einer Rohheit, einer herben Strenge Platz gemacht. Ein Krieg hatte in Gaspard stattgefunden, schloss der Comte d’Annovres. Es war ihm nicht entgangen, dass er ihre Verbindung zugunsten des Barons Raynaud aufgegeben hatte, und er gab diesem einstigen Geliebten die Schuld, sprach Gaspard von dem Leiden frei, das sein Weggang für ihn bedeutete. Raynauds Tod ermunterte ihn, der Comte sah darin ein Vorzeichen, und er spielte mit dem aberwitzigen Gedanken eines Neubeginns.
Ein Schreiben unterrichtete ihn vom Verscheiden des Rivalen mitten in der Nacht. Gaspard bat ihn, sich so schnell wie möglich in die Rue des Petits-Champs zu begeben. D’Annovres nahm eine Droschke und fand auf der Fahrt zu der früheren Begeisterung zurück. Seine Hoffnung jedoch fiel in sich zusammen, als er die Tür des Apartments hinter sich schloss. Er sah sich einem verwandelten Mann gegenüber. Gaspard musterte ihn. Sein Arm lag zwanglos auf der Lehne des Sofas. Übelkeit überfiel den Comte. Als der Geliebte mit dem Zeigefinger auf einen der Fauteuils wies, trat der Greis vor und setzte sich. Schweigend sahen sie einander an. »Ich werde Adeline heiraten«, sagte Gaspard. Die Verblüffung verzerrte die Gesichtszüge des Comte, und er versank in seinem Sessel. Gaspard stand auf und ging ein paar Schritte durchs Zimmer. »Ich bin Raynauds Alleinerbe. Verstehst du? Ich war nicht für diese« – er beschrieb mit ausholender Geste den Raum – »Mittelmäßigkeit bestimmt.« Die Stimme des Comte war nur noch ein Krächzen: »Das ist absurd«, sagte er, da ihm nichts anderes einfiel. »Was ich brauche«, fuhr Gaspard fort, »ist eine Legitimität, einen Clan. Sie haben in der Gesellschaft nur einen unbedeutenden Ruf, und ich bin für Ihre Tochter eine gute Partie, ich werde Eurem Haus zu Glanz verhelfen.« Unter den Füßen des Comte tat sich ein Abgrund auf. Gaspard umkreiste sein Opfer. »Niemals!«, schrie d’Annovres mit einer lächerlich heiseren Stimme. Er saß zitternd in seinem Sessel, klammerte sich an den Armlehnen fest, seine Mundwinkel sanken nach unten, seine Augen starrten ins Leere. »So lange ich lebe, niemals! Hörst du, niemals!«, brüllte er wieder. Gaspard sprang auf den Grafen zu und packte ihn am Kragen. Er zog ihn aus dem Sessel, hob ihn hoch und schaute dem alten Mann in die entsetzten Augen. D’Annovres versuchte sich zu wehren, packte ihn an den Armen, schlug ihm auf die Schultern, aber Gaspard griff fester zu, und sein Gesicht lief rot an. »Ich erwarte von dir kein Einverständnis.« – »Meine Frau«, keuchte der Comte, »wird nicht einverstanden sein.« – »Ihre Meinung interessiert mich nicht«, erwiderte Gaspard, »du lässt ihr keine Wahl. Oder willst du, dass sie von diesem Apartment hier erfährt? Von unserem Verhältnis? Willst du, dass sie deine Affären in diesem Bett entdeckt, in dem du so viele Nächte geschwitzt hast? Die Beweise sind erdrückend.« – »Du würdest mit mir fallen!« Der Comte fing an zu weinen, in erstickten Schluchzern, die klangen wie das Grunzen von Schweinen. Gaspard öffnete mit einer Hand die Knöpfe seines Hemdes, enthüllte seinen blauen, zerschundenen Bauch. »Schau her, das lässt mich kalt. Ich pfeife auf den Tod und die Gesetze. Ich will deine Tochter. Ich werde sie bekommen, was immer es mich kostet, oder wir fallen gemeinsam. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?« Der Comte d’Annovres nickte und fiel in seinen Sessel zurück. Erschüttert griff er sich an den Hals. Gaspard beruhigte sich, dann sagte er: »Ist es nicht unangenehm, lieber Graf, wenn man keinerlei Alternative hat?«
Quimper, schwarz: Die Möglichkeit ist da. Nichts zwingt ihn, dem Ruf des Vaters Folge zu leisten, seine Hand zu ergreifen, die er ihm entgegenstreckt, um nicht unter den Stamm zu geraten. Die Gelegenheit ist fantastisch. Der Regen hat wieder eingesetzt, und das Wasser steigt deutlich an. Nicht lange, und das Gesicht des Vaters wird überflutet sein. Schreiend schlägt er mit seinen breiten Händen auf den Stamm.
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