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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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sich herrliche, tiefe Narben wie ausgetrocknete
Flussbetten eingegraben hatten, im Kampf gegen die schwarzen Pocken und im
Kampf gegen seine Feinde gewonnene, für alle sichtbare Trophäen!
    »Ich bin Dog Warrior,
Obacht, Ihr alle Doofen!« ,flüsterte Ivonne. Blonde und schwarze Skalps
zierten die Seitennähte seiner Lederhose und wenn er aufrecht vor dem
azurblauen Präriehimmel auf einem Felsen stand, schwoll seine Brust, und er
donnerte einen schlimmen Schwur in den Himmel und es war für niemanden sonst
Platz auf dem Bild! Nun sprang er geschmeidig vom Felsen und Susanne Leuenburg
raffte mit angstverzerrtem Gesicht ihre Röcke um hurtig zu fliehen, ganz schnell,
denn sie war in Sport die Beste, ließ Ivonne beim Sprint weit hinter sich und
lachte höhnisch hinter vorgehaltener Hand, und mit ihr Monika oder Elsbeth oder
Annemie, wenn Ivonne – endlich! - ins Ziel wackelte und auf den Boden plumpste.
DOCH DA! Packte Dog Warrior Susanne bereits um die schmale Taille (»Magersucht
soll sie gehabt haben, deshalb haben die Eltern sie von der Schule genommen
haben, für ziemlich lange Zeit,«  erzählte Terese, als sie Ivonne das
erste Mal drängte, die neuen Schulkameradinnen doch einmal zum Tee-Ründchen
einzuladen, und Terese gerade begonnen hatte, sich ein Netzwerk im neuen
Wohnort – dem wievielten, seit Herr Weinwurm DER CHEF geworden war? –
aufzubauen, denn networking war wichtig und auch eines der Talente, das
die Tochter von der Mutter nicht geerbt hatte), packte sie tatsächlich um die sehr schmale, magersüchtige Taille und niemand sollte glauben, dass Ivonne sich
ein romantisches Ende ausdachte! Denn es war nicht so, dass Dog Warrior mit
angehaltenem Atem in Susannes veilchenblaue Augen eintauchte so wie der
lächerliche, grottenalte Mathelehrer, und sein hartes Krieger-Herz zum ersten
Mal in seinem langen Kriegerleben erweicht wurde, niemand brauchte zu hoffen,
dass sich mächtige, blutgetränkte Pranken fasziniert in goldenen, hüftlangen
Locken versenkten, dass Dog Warrior wie in Trance das schöne Mädchen auf seinen
wilden Hengst hob und mit ihr davonritt in sein Tipi, wo sie Dinge taten, die
in ihren Westerncomic nur angedeutet, niemals aber gezeichnet wurden! Vielmehr
war es so, dass Ivonne es ohnehin nicht mochte, wenn Weiber in den Comics
auftauchten, denn sie verwirrten nur die Handlung, sie kreischten und machten
dumme Fehler und hatten vor allem und jedem Angst, und wenn ein kleines
Hoppelhäschen über die Prärie jagte, schrien sie auf und lösten eine Stampede aus, in der gute, hart arbeitende Cowboys getötet wurden. Es blieb also
nichts übrig, als die Weiber aus der Handlung zu entfernen, sie eigneten sich
allenfalls als Schlachtvieh, und so hob Dog Warrior sein zweischneidiges
Tomahawk, hielt Susannes zarten Hals fest umklammert und – krawummm! – spaltete
ihr mit einem Hieb den dummen, dummen Susannenschädel und das Blut sickerte
durch ihre blonde Mähne. Nächstes Kästchen: Beiseite geworfen in ein Dorngebüsch,
sollten sich doch die Geier und Kojoten an ihrem Blut und ihren Eingeweiden
laben. Nächstes Kästchen: Blutblonder Skalp, festgetuckert an Dog Warriors
Bein und das Haar so lang, dass es am Boden hinter ihm herschleifte und der
Kolorist kaum genug goldene und rote Farbe hatte, um diese Pracht auszumalen.
    Tereses Engelsflügel
hüpften noch fern in der Brandung, über ihrem Kopf schwebte der Fotoapparat,
mit dem sie die Yacht zu erhaschen suchte.
    Ärobick mit
gespaltenem Schädel wird nicht funktionieren, dachte Ivonne, Susanne scheidet
schon mal aus.
    In wie viele neue
Klassenzimmer hatten energische Teresenhände sie in die Arme von breit
lächelnden und nach Old Spice oder Veilchen duftenden Lehrern und Lehrerinnen
geschoben? Fünf, sechs? »Wir begrüßen unsere neue Mitschülerin, Ivonne
Weinwurm (hier war es meistens schon aus, und die prominenten, die wichtigen Jungs fingen an zu kichern, sich gegenseitig zu schubsen und erste
Gemeinheiten formten sich hinter ihren glatten, unschuldigen Stirnen), und nun
sehen wir mal, wo noch ein Plätzchen für dich frei ist.« - »Die braucht eher
zwei bis drei Plätzchen!« – »Qualle Weinwurm!« – »Die hat ja schon einen echten Busen!«  
    Ivonne senkte den
Kopf, wenn sie durch die Reihen feixender Kinder geschoben wurde, und versuchte
sich auf das blank gewienerte Linoleum vor ihren Füßen zu konzentrieren,
während sie mit der einen schweißnassen Hand den Griff ihrer Schultasche
umklammerte und mit der anderen

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