Die falsche Geliebte (German Edition)
Russen geschlagen!«
Er nahm sich vor, das Haus Laginski zu verlassen, bei den Spahis Dienst zu tun und sich in Afrika totschießen zu lassen. Aber eine schreckliche Furcht hielt ihn davon ab.
»Was wird ohne mich aus ihnen? Sie wären bald zugrunde gerichtet. Arme Gräfin! Welch schreckliches Dasein für sie, wenn sie auf 30 000 Franken Einkommen angewiesen wäre! Vorwärts,« sagte er sich. »Da sie für mich verloren ist, Mut gefaßt und weiter ans Werk!«
Wie bekannt, hat der Karneval in Paris seit 1830 einen wunderbaren Aufschwung genommen. Er ist zu einer europäischen Berühmtheit und ganz anders burlesk, ganz anders lebendig geworden, als ehemals der Karneval von Venedig. Vielleicht haben die Pariser bei der ungemeinen Abnahme der Vermögen eine Kollektivvergnügung erfunden, wie sie sich in ihren Klubs Salons ohne Hausherrin, ohne Höflichkeit und mit geringen Kosten geschaffen haben. Wie dem aber auch sei, im März drängte sich Ball an Ball, und Tanz, Posse, grobe Freude, Taumel, groteske Bilder und die vom Pariser Witz geschätzten Spöttereien wirkten sich ins Riesenhafte aus. Diese Tollheit hatte damals in der Rue Saint-Honoré ihr Pandämonium und in Musard ihren Napoleon. Das war ein kleiner Kerl, der eigens geschaffen schien, um eine so brausende Musik wie die der zügellosen Menge zu dirigieren und den Galopp anzuführen, diesen Hexensabbat, der zu den Ruhmestaten Aubers gehört, denn der Galopp hat seine Form und Poesie erst seit dem großen Galopp im »Gustav« erhalten. Ist dies gewaltige Finale doch gleichsam das Symbol eines Zeitalters, in dem sich seit fünfzig Jahren alles mit der Geschwindigkeit eines Traumes abspielt! Nun lud der ernste Thaddäus, der ein keusches Bild im Herzen trug, Malaga als Königin der Karnevalsbälle ein, eine Nacht im Ballhaus Musard zu verbringen. Er hatte nämlich erfahren, daß die Gräfin, bis an die Zähne verkleidet, mit zwei anderen jungen Frauen und deren Männern dem merkwürdigen Schauspiel eines dieser Riesenbälle beiwohnen wollte. Am Fastnachtstag des Jahres 1838, um vier Uhr morgens, saß die Gräfin in einem rosa Domino auf den Stufen eines Amphitheaters dieses babylonischen Saales, in dem seither Valentino seine Konzerte gibt, und sah Thaddäus, als Robert Macaire verkleidet, mit der Kunstreiterin Galopp tanzen. Sie war als Wilde ausstaffiert, den Kopf mit einem Federschmuck, wie ein Pferd beim Krönungszuge und hüpfte durch die Gruppen wie ein wahrer Irrwisch.
»Ach!« sagte Clementine zu ihrem Gatten, »ihr Polen seid charakterlose Leute. Wer hätte Thaddäus nicht vertraut? Er hat mir sein Wort gegeben und wußte nicht, daß ich hier sein würde, um alles zu sehen, ohne selbst gesehen zu werden.«
Einige Tage danach kam Paz zum Mittagessen zu ihr. Nach der Mahlzeit ließ Adam sie allein und Clementine fuhr Thaddäus heftig an, um ihm fühlbar zu machen, daß sie ihn nicht mehr im Hause wünschte.
»Ja, Gnädigste,« sagte Thaddäus demütig, »Sie haben recht. Ich bin ein Elender, ich hatte mein Wort gegeben. Aber was wollen Sie! Ich habe den Bruch mit Malaga bis nach dem Karneval verschoben ... Ich werde übrigens offen sein: dies Weib übt solche Macht auf mich aus, daß ...«
»Eine Frau, die sich bei Musard von der Polizei an die Luft setzen läßt, und wegen welcher Tänze!«
»Zugegeben, Gnädigste, ich nehme mein Urteil an. Ich verlasse Ihr Haus, aber Sie kennen Adam. Überlasse ich Ihnen die Zügel Ihres Vermögens, so müssen Sie sie kräftig führen. Wenn ich diese Schwäche für Malaga habe, so verstehe ich doch auch, auf Ihre Geschäfte aufzupassen, Ihre Leute im Zaume zu halten und auf die geringsten Kleinigkeiten zu achten. Lassen Sie mich also erst fortgehen, wenn ich sehe, daß Sie meine Verwaltung fortzusetzen vermögen. Sie sind jetzt drei Jahre verheiratet, und die ersten Torheiten des Honigmonds liegen hinter Ihnen. Die Pariserinnen, auch die vornehmsten, verstehen es heute sehr gut, ein Vermögen und ein Haus zu verwalten ... Also, wenn ich sicher bin, weniger in betreff Ihrer Fähigkeit als Ihrer Ausdauer, verlasse ich Paris.«
»So spricht der Thaddäus von Warschau und nicht der Thaddäus vom Olympia-Zirkus,« entgegnete sie. »Kehren Sie geheilt zurück.«
»Geheilt?... Nie!« erwiderte Paz mit gesenktem Blick und schaute auf Clementines hübsche Füße. »Sie wissen nicht, Gräfin, wieviel Prickelndes und Unverhofftes diese Frau in ihrem Geiste hat.«
Und da er seinen Mut wanken fühlte, setzte er
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