Die falsche Geliebte (German Edition)
hinzu:
»Keine vornehme Dame mit ihren gezierten Manieren wiegt das freie Wesen dieses jungen Tieres auf ...«
»Ich möchte allerdings nichts Tierisches haben,« sagte die Gräfin und warf ihm den Blick einer wütenden Viper zu.
Seit diesem Morgen weihte Graf Paz Clementine in die Geschäfte ein, ward ihr Lehrer, zeigte ihr die Schwierigkeiten in der Verwaltung ihres Vermögens, lehrte sie den wahren Wert der Dinge erkennen und wie man es anfängt, von den Leuten nicht zu sehr bestohlen zu werden. Sie konnte auf Konstantin zählen und ihn zum Majordomus machen. Thaddäus hatte Konstantin ausgebildet. Im Mai schien ihm die Gräfin vollkommen imstande, ihr Vermögen zu verwalten, denn Clementine gehörte zu jenen Frauen mit richtigem Blick, sicherem Instinkt und angeborenen Hausfrauentugenden.
Diese Situation, die Thaddäus so ungezwungen herbeigeführt hatte, sollte doch einen furchtbaren Konflikt für ihn zur Folge haben, denn seine Leiden sollten nicht so sanft sein, wie er sie sich machte. Der arme Liebhaber hatte den Zufall nicht in Rechnung gestellt. Nun aber wurde Adam ernstlich krank. Anstatt fortzugehen, blieb Thaddäus als Krankenwärter seines Freundes. Die Hingebung des Kapitäns war unermüdlich. Eine Frau, der daran gelegen hätte, ihrem Scharfsinn Weitblick zu geben, hätte in dem Heroismus des Kapitäns eine Art Kasteiung erblickt, die edle Seelen sich auferlegen, um ungewollte, schlechte Gedanken zu unterdrücken. Aber die Frauen sehen entweder alles oder nichts, je nach ihrem Seelenzustand; die Liebe ist ihr einziger Leitstern.
Fünfundvierzig Tage lang wachte Paz und pflegte Mizislas, ohne anscheinend an Malaga zu denken, aus dem sehr einfachen Grunde, weil er nie an sie dachte. Als Clementine Adam dem Tode nahe sah, ohne daß er starb, zog sie die berühmtesten Ärzte zu Rate.
»Übersteht er das,« sagte der gelehrteste Arzt, »so geschieht es nur durch die Kraft der Natur. Seine Pfleger müssen diesen Augenblick abpassen und die Natur unterstützen. Das Leben des Grafen liegt in den Händen seiner Krankenwärter.«
Thaddäus teilte diesen Spruch Clementine mit, die gerade in dem chinesischen Pavillon saß, sowohl, um sich von ihren Anstrengungen zu erholen, wie um den Ärzten das Feld zu räumen und ihnen nicht hinderlich zu sein. Als Clementines Anbeter den Windungen des Sandweges folgte, der aus dem Boudoir zu dem Felsen führte, auf dem der chinesische Pavillon stand, fühlte er sich gleichsam in der Tiefe eines jener Abgründe, die Dante beschrieben hat. Der Unglückliche hatte die Möglichkeit nicht bedacht, Clementines Gatte zu werden, und hatte sich selbst in ein schmutziges Loch eingeschlossen. Er erschien mit verstörtem Gesicht voll erhabenen Schmerzes. Sein Haupt verbreitete Verzweiflung, wie das der Medusa.
»Ist er tot? ...« fragte Clementine.
»Sie haben ihn aufgegeben; wenigstens überlassen sie alles der Natur. Gehen Sie nicht hin, sie sind noch da. Bianchon wird den Verband selbst abnehmen.«
»Der Arme! Ich frage mich, ob ich ihn nicht bisweilen gequält habe,« sagte sie.
»Sie haben ihn sehr glücklich gemacht, seien Sie darüber beruhigt,« sagte Thaddäus. »Und Sie waren voller Nachsicht gegen ihn ...«
»Sein Verlust wäre für mich unersetzlich.«
»Aber, Verehrte, gesetzt, daß der Graf stirbt, hatten Sie sich kein Urteil über ihn gebildet?«
»Ich liebte ihn nicht blind,« sagte sie, »aber ich liebte ihn, wie eine Frau ihren Mann lieben muß.«
»Sie müssen also,« fuhr Thaddäus mit einer Stimme fort, die Clementine bei ihm nicht kannte, »weniger Schmerz empfinden als beim Hinscheiden eines der Männer, die für die Frauen ihr Stolz, ihre Liebe und ihr ganzes Leben sind! Sie können gegen einen Freund wie ich aufrichtig sein ... Ich werde ihn betrauern! ... Lange vor Ihrer Heirat war er mir zum Sohne geworden, und ich habe ihm mein Leben geopfert. Ich werde also nichts mehr haben, was mich an die Welt bindet. Aber für eine vierundzwanzigjährige Witwe ist das Leben noch schön.«
»Ha, Sie wissen wohl, daß ich niemand liebe!« sagte sie mit der Schroffheit des Schmerzes.
»Sie wissen noch gar nicht, was Liebe ist,« versetzte Thaddäus.
»Ach, Gatte hin, Gatte her! Ich bin vernünftig genug, um ein Kind wie meinen guten Adam einem höheren Menschen vorzuziehen. Nun ist es bald ein Monat, daß wir uns fragen: ›Wird er am Leben bleiben?‹ Diese ewige Ungewißheit hat mich auf den Verlust vorbereitet, so gut wie Sie darauf vorbereitet sind. Ich
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