Die Farben der Sehnsucht
zubrachten, ihre Haare mit Gel und Spray zu bändigen.
In der kurzen Zeit, die sie jetzt bei uns war, hatte Colette bei allen Menschen, die sie kennenlernten, einen positiven Eindruck hinterlassen.
Bei allen Menschen – außer meiner Schwester.
Margaret – ganz sie selbst – hielt instinktiv Abstand zu Colette und misstraute ihr.
Meine Schwester ist eben so. Sie neigt dazu, immer schwarzzusehen.
Sie behauptete steif und fest, dass es ein großer Fehler gewesen war, das Apartment über dem Laden zu vermieten. Margarets Meinung nach konnte man einem Mieter grund sätzlich nicht vertrauen. Sie schien tatsächlich zu glauben, dass Colette sich mitten in der Nacht in den Laden schleichen könnte, um jedes Wollknäuel, das ich besaß, zu stehlen, es anschließend auf der Straße zu verhökern und das Geld für Drogen zu verwenden.
Ich musste jedes Mal lachen, wenn ich darüber nachdachte. Denn ich vertraute Colette. Und außerdem besaß ich eine ziemlich teure Alarmanlage.
Margaret ist – gelinde gesagt – besorgt um mich. Sie ist älter und neigt dazu, mehr Verantwortung zu übernehmen, als sie muss. Es hat lange gedauert, bis ich meine Schwester verstanden habe und noch länger, bis ich sie zu schätzen lernte. Aber das ist eine andere Geschichte …
Colette hob die Teetasse an ihre Lippen und hielt inne. „Derek wäre heute dreiunddreißig geworden“, sagte sie leise. Sie starrte ins Nichts und wandte mir dann unvermittelt den Blick zu.
Ich nickte und versuchte, sie ohne Worte und ohne Drängen zum Weitersprechen zu ermuntern. Bisher hatte sie mir nur ein einziges Mal von Derek erzählt. Durch meine eigenen Erfahrungen wusste ich, dass der Schmerz erträglicher wurde, je mehr man ihn teilte.
„Derek wollte immer Kinder haben … Wir haben es probiert, aber ich bin nicht schwanger geworden, und jetzt …“
„Ich bin mir sicher, dass du eines Tages Kinder haben wirst“, sagte ich. Denn ich war ehrlich davon überzeugt, dass sie nicht für den Rest ihres Lebens allein bleiben, sondern wieder heiraten und vielleicht auch Kinder haben würde.
Ihr Lächeln wirkte traurig. „Derek und ich haben an jenem Morgen über ein Baby gesprochen. Das Nächste, an was ich mich klar erinnere, ist, dass ich seinen Sarg aussuchte. Das nennt man wohl Ironie des Schicksals, oder?“
Ich wusste nicht, wie ich sie trösten sollte, also beugte ich mich vor und umarmte sie einfach.
Sie schien durch meine Sympathiebekundung ein wenig verlegen zu sein und starrte auf den Boden. „Ich hätte nicht davon anfangen sollen. Denn ich wollte dir nicht den Start in den Tag verderben und dich traurig machen. Eigentlich war ich ja auch nicht traurig, bis ich einen Blick auf den Kalender auf deinem Schreibtisch warf und das Datum erkannte.“
„Ist schon gut, Colette. Es tut mir nur so leid.“
„Danke“, entgegnete sie und zuckte ganz leicht die Schultern. „Das Leben ist manchmal so, weißt du?“
„Ja …“ Das wusste ich nur zu gut.
Colette stellte die leere Teetasse in meine Spüle.
Die hintere Tür wurde geöffnet und laut wieder ins Schloss geworfen. Es war Margaret – natürlich –, die über das Wetter schimpfte. Nachdem Colette eingezogen war, hatte Margaret es sich angewöhnt, in der kleinen Seitenstraße zu parken – offensichtlich, um ein Auge auf das Kommen und Gehen meiner Mieterin zu haben. Jetzt warf sie ihre große Handtasche aus Filz auf den Tisch, zögerte kurz und verspannte sich beim Anblick Colettes unwillkürlich.
„Guten Morgen“, sagte ich fröhlich, denn trotz ihrer schlechten Laune freute ich mich, sie zu sehen. „Was ist es doch für ein schöner Morgen, nicht wahr?“ Ich konnte mir eine Prise Sarkasmus nicht verkneifen.
„Es regnet“ , erwiderte sie und musterte Colette, als wäre sie ein Einbrecher.
„Regnerisches Wetter ist ideal zum Stricken“, erinnerte ich sie. Für mich gab es nichts Schöneres, als mich an einem regnerischen Nachmittag mit einer Tasse heißen Tees zurückzuziehen und an meinem aktuellen Strickprojekt zu arbeiten. Die meisten Menschen wollen etwas Sinnvolles tun, wenn es schon regnet, und das beinhaltet – zum Glück für mich – manchmal auch das Stricken.
Margaret schlüpfte aus ihrem Mantel und hing ihn an den Haken neben der Hintertür. „Julia hat mich heute Morgen hier abgesetzt“, erzählte sie im Vorbeigehen.
Ich verstand die Bedeutung ihrer Worte auf Anhieb. „Du lässt Juli a den neuen Wagen fahren?“ Erst einen Tag zuvor hatte Margaret
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