Die Farben der Sehnsucht
hin zu dem Augenblick, in dem ich nach einem sehr langen Tag den Schlüssel im Schloss um drehte und das „Geschlossen“-Schild in die Tür hängte, war ich ununterbrochen auf den Beinen gewesen. Wir hatten an diesem Tag mit achtunddreißig Verkäufen ein wirklich gutes Geschäft gemacht. Es war objektiv gesehen ein exzellenter Geschäftstag gewesen. Ich schrieb es der Tatsache zu, dass wir mittlerweile April hatten und der Frühling wirklich und wahrhaftig seinen Einzug ins Land gehalten hatte.
Glücklicherweise schien auch Margaret wieder in einer besseren Verfassung zu sein. Obwohl uns an diesem Tag nicht viel Zeit geblieben war, um darüber zu reden, hatte ich den Eindruck, dass die Polizei einem Verdächtigen dicht auf den Fersen war. Margaret hatte mir erzählt, dass es einige vielversprechende Neuigkeiten gab.
Gegen Ende des Tages bekamen wir unerwarteten Besuch – von Carol Girard und ihrem Sohn Cameron. Ich war begierig darauf, Brad von Carols Neuigkeiten zu erzählen.
Als ich nach Hause kam, hatte Brad, wie ich erleichtert feststellte, schon mit den Vorbereitungen fürs Abendessen begonnen. Ich hatte am Morgen drei Hühnerbrüste in eine Marinade aus Buttermilch und Ranch-Dressing-Gewürzen gelegt, außerdem waren vom Vorabend noch Krautsalat und Tater Tots übrig. Die kleinen frittierten Kroketten aus geriebenen Kartoffeln zählten eindeutig zu Codys Lieblingsbeilagen.
Unser Sohn war mit einigen Kindern aus der Nachbarschaft im Garten und spielte Ball. Wie immer war Chase bei ihm, bellte und jagte den Jungs hinterher. Der Klang von Codys aufgeregter Stimme drang zu mir, und obwohl ich so müde und erschöpft war, machte es mich glücklich, zu wissen, dass da draußen vor dem Fenster mein Sohn spielte.
„Hi, Süße“, sagte Brad.
Ich küsste ihn, und er legte den Arm um mich.
„Wie war dein Tag?“, fragte ich.
„Jetzt, wo du da bist, ist er schlagartig besser geworden.“ Er lächelte. „Abgesehen davon war es ein anstrengender Tag.“
Ich legte meine Tasche auf die Küchenanrichte. „Meiner auch.“ Da Brad für UPS arbeitet, hat er eine tägliche Lieferquote, die sogenannte „Auslieferungs-Erwartung“, zu erfüllen, was bedeutet, dass er immer auf dem Sprung sein muss.
Ich holte eine Schale mit klein geschnittenem Gemüse und einen Dip aus dem Kühlschrank. Es war schwierig, Cody dazu zu bringen, Gemüse zu essen, und er war ausgesprochen einfallsreich, wenn es darum ging, Gründe zu erfinden, kein „Grünzeug“ essen zu müssen. Als er acht Jahre alt war, hatte er zum Beispiel im Brustton der Überzeugung verkündet, Gott hätte persönlich zu ihm gesprochen. Als Brad ihn fragte, welche göttliche Botschaft er erhalten habe, hatte Cody erklärt, dass er – laut Gott – keine grünen Bohnen mehr essen solle.
„Was ist so lustig?“, fragte Brad und wandte sich vom Herd ab.
„Ich dachte nur gerade daran, wie Gott Cody kundgetan hat, dass er keine grünen Bohnen mehr essen muss.“
Brad lachte auf. „Es ist gut, dass das Kind wenigstens Karotten und Broccoli mag.“
„Ich fürchte, das hat eher etwas mit dem Dip zu tun“, sagte ich. Egal – wenigstens steckte der Junge sich etwas Grünes und Oranges in den Mund, das keinen Zucker enthielt.
Ich öffnete eine Schublade und holte das nötige Besteck für das Abendessen heraus. „Carol Girard war heute Nachmittag im Laden“, erzählte ich.
Carol war eine gute Freundin – und sie war eine meiner ersten Kundinnen im A Good Yar n gewesen. Als ich sie kennenlernte, steckten sie und ihr Ehemann Doug gerade in einer Krise: Sie wünschten sich ein Kind, doch aufgrund ihrer eingeschränkten Fruchtbarkeit klappte es nicht. Um ihren Stress zu minimieren und sich optimal auf die In-vitro-Fertilisation vorbereiten zu können, zu der Doug und Carol sich entschlossen hatten, hatte Carol ihren Job gekündigt.
Doch nur zu Hause zu sein, war nicht so leicht, wie Carol es sich vorgestellt hatte. Nachdem sie ihren sehr anspruchsvollen und hektischen Job als Investmentbankerin aufgegeben hatte, fühlte sie sich zu Hause in ihrer Wohnung ruhelos und langweilte sich schnell.
Auf einem ihrer langen Spaziergänge war Carol eines Tages schließlich in meinen Wollladen gekommen – und als sie erfuhr, dass in meinem ersten Kurs eine Babydecke gestrickt werden würde, war sie sich sicher gewesen: Das war ein Zeichen.
Ihre Gebete wurden tatsächlich erhört – wenn auch auf eine Art und Weise, die niemand erwartet hätte. Sie und Doug
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