Die Farben der Sehnsucht
adoptierten einen kleinen Jungen, den sie Cameron nannten.
„Wie geht es Carol?“
Ich sah meinen Mann an und lächelte. „Sie ist schwanger.“
„ Carol? “ Auch er begann zu lächeln.
Ich nickte. Und ich wusste, was er dachte, denn dieser Gedanke war auch mir durch den Kopf gegangen. Doug und Carol hatten Abertausende von Dollars dafür ausgegeben, ein Kind zu bekommen. Irgendwann hatten sie den Wunsch nach einem eigenen Kind begraben – und Cameron adoptiert. Und jetzt …
„Ist sie sich sicher?“
„Die ersten drei Monate liegen hinter ihr.“
Wenn ich mich recht erinnerte, gab es keine medizinischen Gründe, warum Carol nicht schwanger werden sollte. Es war bisher einfach nie passiert – trotz all der Tests und Prozeduren, die die moderne Medizin bieten konnte.
„Ich wette, Doug ist glücklich“, sagte Brad. Wie er war Doug einer der Männer, für die die Familie an erster Stelle stand – der geborene Vater.
„Doug ist außer sich. Genau wie Cameron – sie haben ihm erzählt, dass er bald ein großer Bruder sein wird.“ Der Dreijährige war genauso aufgeregt wie seine Eltern. Als sie in meinem Laden waren, wollte er, dass Carol ein Plüschschaf kaufte, das ich in der Auslage hatte – für „Mamas Baby“, wie er sagte.
„Ich freue mich für sie“, sagte Brad. „Warum laden wir sie nicht einmal zu uns ein? Das muss gefeiert werden.“
Glücklich nickte ich. Seit ich die Neuigkeiten erfahren hatte, war ich bester Stimmung. Und ich wusste, dass auch Jacqueline und Alix sich freuen würden. Anfang der Woche war ein neues Strickmusterbuch für Babysachen geliefert worden, und ich hatte mir vorgenommen, einen Kurs zu einem Projekt aus dem Buch anzubieten. Vielleicht für eine weitere Babydecke. Ich konnte mir vorstellen, dass meine allererste Gruppe sich dazu in ein paar Monaten wieder zusammenfand. Wir würden Carol mit selbst gestrickten Gaben beschenken, um dieses Kind willkommen zu heißen.
Das Hochgefühl hielt an, bis ich mich am späten Abend fürs Bett fertig machte.
Ich wusch mir gerade das Gesicht, als die Erkenntnis mich mit voller Wucht traf. Carols Schwangerschaft erinnerte mich plötzlich und schmerzvoll an eine Tatsache: Ich würde niemals ein Baby bekommen . Es traf mich so heftig, dass ich die Augen schließen und mich gegen den Waschtisch lehnen musste. Ich hielt den Atem an, bis der Schmerz nachließ.
Brad saß aufrecht gegen sein Kissen gelehnt im Bett und las. Cody war bereits eingeschlafen. Ich war erleichtert, dass er in seinem Zimmer war, denn ich wollte nicht, dass er mich so sah.
Mein Mann hatte meine Stimmungen schon immer gespürt, hatte immer wahrgenommen, wie es mir ging. Und in dem Moment, als ich das Schlafzimmer betrat, wusste er, dass etwas nicht stimmte. Er ließ sein Buch sinken und blickte mich an.
Mit einem Kloß im Hals hob ich die Decke an und schlüpfte wortlos ins Bett.
„Lydia, was ist los?“
„Ich freue mich für Carol“, sagte ich mit zitternder Stimme. „Aber gerade ist mir bewusst geworden … Ich kann keine Kinder bekommen. Ich meine, ich wusste es ja und es ist keine Überraschung … also verstehe ich nicht, warum ich mich jetzt so fühle.“
„Wir werden nie ein eigenes Kind haben“, sagte er sanft. „Das müssen wir akzeptieren.“
Ich war noch jung, ein Teenager, als ich meine erste Chemo- und Strahlentherapie bekam. Seit ich sechzehn war, wusste ich, dass ich niemals schwanger werden würde. Ich würde niemals, unter keinen Umständen, ein Kind austragen. Brad und ich hatten uns lange darüber unterhalten, bevor wir heirateten. Und ich hatte geglaubt, ich hätte es akzeptiert.
„Wir haben Cody“, erinnerte Brad mich liebevoll.
Cody war mir ungeheuer wichtig. Ich musste Brad das nicht sagen. Und doch verspürte ich noch immer den Schmerz. Nie zuvor hatte ich mich so danach gesehnt, ein eigenes Baby in meinen Armen halten zu können. Mein Herz tat weh. Zum ersten Mal verstand ich die Qual, die Carol hatte erdulden müssen, bevor Cameron in ihr Leben getreten war.
„Cody ist mein Sohn – es ist, als hätte ich ihn selbst zur Welt gebracht“, flüsterte ich.
„Ja, aber du hast ihn nicht als Baby gekannt.“ Brad versuchte, mir zur erklären, dass er meine Gefühle nachvollziehen konnte. „Wünschst du dir ein Baby?“, fragte er, und seine Stimme klang leise und besänftigend.
Langsam nickte ich und wollte die Tränen, die mir in die Augen geschossen waren, unterdrücken. „Ja. Ich will ein Kind von
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