Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
Caren Benedikt
Finale Spende
S IE WAR ZUFRIEDEN . Die Unterlagen waren geordnet und zur Vorlage bereit. Genau so, wie ihr Chef es wünschte. Mit einem Lächeln nahm sie die Unterschriftenmappe zur Hand, schob sich die Flasche Champagner in die Armbeuge, griff die Gläser und ging zur Tür. Umständlich, da sie keine Hand frei hatte, klopfte sie kurz und drückte die Klinke herunter.
»Nanu, Frau Berger. Haben wir etwas zu feiern?«
Sie lächelte ihn an, reichte ihm die Gläser und legte die Unterschriftenmappe vor ihn auf den Schreibtisch.
»Ich dachte mir schon, dass Sie es vergessen würden. Kein Wunder bei Ihrem Arbeitspensum, Professor Perl!«
Er zwinkerte ihr zu, erhob sich aus seinem Schreibtischsessel und begab sich in das kleine Gäste-WC, das an sein Büro grenzte. Mit einem großen Strauß roter Rosen kam er wieder heraus. »So, so, Sie glauben also, ich würde es vergessen, wenn mir jemand seit 25 Jahren treu zur Seite steht?« Er kam zu ihr, gab ihr einen Wangenkuss und überreichte ihr die Blumen. »Alles Liebe und Gute zu Ihrem Jubiläum, Frau Berger. Und ich habe hier noch etwas für Sie.« Er zog die unterste Schublade seines Schreibtischs auf. Eine kleine Samtschatulle kam zum Vorschein.
»Für mich?« Sie schnupperte an den Rosen, legte sie auf den kleinen Beistelltisch und nahm das Geschenk entgegen. Vorsichtig öffnete sie das Schächtelchen. Beim Anblick der Kette mit dem Diamantanhänger verschlug es ihr im ersten Moment die Sprache. Mit großen Augen starrte sie ihn an.
»Aber ...«, stammelte sie, »das kann ich unmöglich annehmen.«
Er schenkte ihr ein gewinnendes Lächeln. »Aber selbstverständlich können Sie. Sie müssen sogar.« Er löste das Schmuckstück aus der Schatulle, legte es ihr um den Hals und knipste den Verschluss zu.
Sie tastete nach dem Anhänger, spürte den feinen Schliff des Edelsteins, ging zum Spiegel und betrachtete sich. »Sie ist wunderschön. Vielen herzlichen Dank.«
Professor Perl griff nach der Flasche und entkorkte sie gekonnt. »Wie nett, dass Sie uns etwas zu trinken mitgebracht haben. Ein Gläschen kann sicher nicht schaden.«
Mit beschwingtem Schritt ging sie zu ihm.
»Lassen Sie mich das machen«, sagte sie lächelnd.
»Ganz, wie Sie wollen.« Er reichte ihr die Flasche. »Wollen wir nicht lieber dort Platz nehmen? Das ist gemütlicher.« Er deutete auf die elegante Besuchersitzgruppe auf der anderen Seite des Büros, wo er wichtige Besprechungen abhielt.
Sie schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, ich habe mich so daran gewöhnt, dass Sie hinter Ihrem Schreibtisch sitzen und ich davor. Wenn es Ihnen also nichts ausmacht ...?«
»Sie sind zu bescheiden, Frau Berger, wissen Sie das?« Er setzte sich in seinen Schreibtischsessel.
Sie begann einzuschenken. »Ach du meine Güte!« Der Champagner schäumte so sehr, dass er über den Glasrand auf die exquisite Schreibtischplatte lief.
Professor Perl stand rasch auf. »Ich hole etwas zum Aufwischen.«
Kurz darauf kam er mit einem Gästehandtuch zurück. »Das ist doch halb so wild. Lassen Sie mich das machen.« Augenblicklich sog das Tuch die perlende Flüssigkeit auf.
Frau Berger füllte das zweite Glas - ein wenig vorsichtiger diesmal - und reichte ihm das erste, während sie sich das weniger volle nahm.
»Auf viele weitere wunderbare Jahre der Zusammenarbeit.« Professor Perl prostete ihr zu.
»Ja, auf noch weitere wunderbare Jahre«, echote sie und nippte an ihrem Glas.
Während sie miteinander plauderten, nahm Professor Perl immer wieder einen genüsslichen Schluck, und bald war sein Glas leer.
»Noch ein Gläschen?«
Er hob abwehrend die Hand. »Ich würde liebend gern noch eins trinken, aber Sie wissen, mein Herz. Ein Glas ist mein Limit.«
»Ja, ich weiß.« Sie setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, drehte nachdenklich das Glas in den Händen und trank es dann in einem Zug aus. »Ach, wissen Sie was«, sagte sie dann entschieden, »ich genehmige mir noch eins. Dieser Tag kommt schließlich nicht wieder.«
Professor Perl lachte. »Frau Berger, Frau Berger, Sie überraschen mich. Lassen Sie mich Ihnen nachschenken.« Doch als er aufstand, sich vorbeugte und nach der Flasche langte, fiel er, von einem Schwindelgefühl ergriffen, wieder in seinen Sessel zurück.
»Stimmt etwas nicht?« Sie sah ihn besorgt an.
»Puh, ich fürchte, selbst dieses eine Glas war für mich zu viel. Dabei habe ich früher ganz hübsch was vertragen.« Er lockerte den Knoten seiner Krawatte. »Mir
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