Die Farben der Sehnsucht
an die bevorstehende Hochzeit verschwendet.
Sie hatte sich einfach nur vorgestellt, Jordan im Kreise der Familie und einiger Freunde zu heiraten. Jeder könnte schenken, was er wollte, anschließend aßen sie Kuchen und das war es.
Junge, wie falsch sie damit gelegen hatte.
Die Hochzeit weitete sich zu einer Inszenierung aus, die einem Broadway-Musical oder Ähnlichem durchaus das Wasser reichen konnte. Allein das Menü kostete pro Person mehr, als Alix früher in einem Videoshop in der Woche verdient hatte.
Und das war noch nicht alles. Das Kleid – nein, vielmehr die Rob e – wurde zu einem der Hauptstreitpunkte. Bisher hatte sie nur Kleider gesehen, die mit kostbarer Spitze verziert oder mit Hunderten von winzigen Perlen bestickt waren. Oder beides. Jacqueline hatte sie in eine Boutique entführt, und Alix beging den schweren Fehler, einen Blick auf eines der Preisschilder zu werfen – woraufhin sie beinahe in Ohnmacht gefallen wäre. Man konnte Autos für weit weniger Geld kaufen, als für diese Kleider verlangt wurde!
„Können wir nicht einfach durchbrennen?“, flehte sie und legte ihren Kopf an Jordans Brust. Sie kannte die Antwort – und dennoch: Sie musste ihn fragen.
„Süße, das kann ich nicht machen.“
„Warum nicht?“ Sie sah ihn an und hoffte, dass er ihr die Zuversicht geben würde, die sie brauchte, um das alles zu überstehen. Die Akzeptanz – oder die Resignation –, die sie kurz zuvor noch gespürt hatte, war verschwunden. Sie war sich nicht länger sicher, ob sie „Alix Townsend, die perfekte Braut“ sein konnte. Die Hochzeit würde in vier Monaten stattfinden. Und sie spürte schon jetzt, wie Panik in ihr aufstieg.
Sie wünschte sich doch nichts sehnlicher, als Jordans Frau zu werden.
Schon als sie in der sechsten Klasse gewesen waren, hatte sie sich in ihn verliebt. Er hatte alles verkörpert, was sie sich für ihr Leben erträumte.
Dann traf sie ihn vor drei Jahren wieder – kurz nachdem sie mit dem Strickkurs begonnen hatte.
Sie erinnerte sich noch genau an den Jordan aus der Schule.
Und sie erinnerte sich an seine Familie …
Seine Mom und sein Dad liebten einander und sorgten gut für ihre Kinder. Sie waren keine Alkoholiker und Versager wie ihre Eltern. Die Familie hatte feste Essenszeiten eingehalten, bei den Mahlzeiten gemeinsam am Tisch gesessen und sich über die Erlebnisse des Tages ausgetauscht.
Bei Alix zu Hause hatte niemand irgendetwas mit dem anderen zusammen gemacht. Wenn ihre Mutter einmal geneigt gewesen war, etwas zu kochen, blieben die Töpfe auf dem Herd stehen, und jeder verzehrte seine Mahlzeit für sich.
An den meisten Abenden hatte Alix allein vor dem Fernseher gegessen, während sich ihre Eltern im Hintergrund stritten.
Sie hatte nicht gezählt, wie oft die Streitigkeiten in handfesten Auseinandersetzungen endeten und sie sich im Schrank verstecken musste, wo sie sich in ihre ganz eigene Welt geträumt hatte – eine Welt, in der es eine ganze Schar von Eltern und Geschwistern gegeben hatte. Wie im Fernsehen. Oder wie bei Jordan zu Hause …
Doch das waren noch nicht alle Unterschiede zwischen ihrem und Jordans Leben gewesen.
Alix’ Mutter hatte irgendwann im Streit auf Alix’ Vater geschossen und war dafür ins Gefängnis gegangen. Als Alix die Schule schließlich verließ,hatte sie bereits in einigen Pflegefamilien gelebt. In dieser Zeit hatte auch sie immer wieder in Schwierigkeiten gesteckt. Erst als ihr Bruder Tom an einer Überdosis starb, war sie „aufgewacht“. Sein Tod hatte sie tief getroffen. Alix wusste, dass auch ihr dieses Schicksal blühte, wenn sie ihr Leben nicht änderte. Und von dem Moment an hatte sie den Drogen abgeschworen. Mehr als einmal war sie in der Folgezeit in Versuchung geraten, doch sie hatte immer die Kraft gefunden zu widerstehen.
„Die Hochzeit ist nur ein Tag in unserem Leben“, erklärte Jordan.
Alix seufzte. Vierundzwanzig Stunden – tatsächlich sogar weniger – würde sie vielleicht überstehen können. Die Zeremonie sollte um fünf Uhr am Nachmittag stattfinden, danach würde es ein Essen und einen Empfang im Country Club geben. Jordan hatte für ihre Flitterwochen ein Zimmer in einem Hotel in Victoria, der Hauptstadt der kanadischen Provinz British Columbia, reserviert. Wenn dieses Hochzeitsritual zu überstehen bedeutete, dass sie am Ende des Tages Jordans Ehefrau war, dann würde sie es eben klaglos über sich ergehen lassen.
„Ich weiß, dass dir das alles nicht so ganz passt“,
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