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Die Farben der Wirklichkeit

Die Farben der Wirklichkeit

Titel: Die Farben der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Körner
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davon essen zu lassen. Das ist... richtig... die Menschen hier haben gelernt, sich gegenseitig zu füttern. Das ist das Geheimnis des Himmels!“
    „Ist das wirklich ein Geheimnis?“
    Der Weise schaute den Ratsuchenden ernst an. Dann lächelte er, wandte sich ab und ging den Weg zurück, den sie beide gekommen waren, ohne sich noch einmal nach dem Ratsuchenden umzudrehen.
     

 

Jürgen Stiller
    Ein Lebenswerk
     
    E inst lebte ein junger Maler im ’weiten Land’. Alles, was er besaß, waren ein altes, großes Haus und ein Brunnen.
    Die Wasserstelle, nur wenige Meter vom Haus entfernt, sorgte dafür, daß rings um das Gebäude einige dürftige Pflanzen, Büsche und Bäume gediehen. Mit viel Mühe baute der junge Maler auf einem Feld auch Obst, Gemüse und Mais an, um sich zu ernähren.
    Abgesehen von dieser grünen Insel war die Gegend um das Haus ausgetrocknet, unfruchtbar und wüstengleich. Seit Jahren war kein Regen niedergegangen, weshalb das Land, soweit das Auge reichte, in grau-weiß-gelber Eintönigkeit ausgestreckt lag.
    Auch die Ziegel des Hauses waren durch die immerwährende Sonnenglut schließlich gebleicht, so daß die Wüste auf diese Art schon einen Vorboten in das Herz der Oase entsandt hatte.
    Das sah auch der junge Maler, als er eines Morgens vom Wasserholen zum Haus zurückging. Dennoch begab er sich — wie immer - an sein Tagwerk und malte. Er malte auch in den folgenden lagen, Wochen und Monaten. Er malte so lange, bis ihm die Leinwand ausging und auch sein Vorrat an Ölfarben sich dem Ende zuneigte.
    Mit jedem Tag jedoch, da er den Weg vom Brunnen zum Haus zurücklegte, wuchs in ihm der Entschluß, der Wildnis ihren Triumph nicht zu gönnen.
    Als dann sein letztes Bild vollendet worden war, erkannte der Maler, daß er keine Leinwand mehr brauchen würde. Er wollte von nun an sein 1 laus bemalen, um durch die Lebendigkeit seiner Farben der Natur zu trotzen. Doch die einzigen Farben, die ihm geblieben waren, fanden sich in einigen großen Aquarell-Farbkästen, die lange Zeit unbeachtet in einem Winkel des Ateliers gelegen hatten.
    Als er aber beginnen wollte, überkamen den Künstler Zweifel, ob es ihm überhaupt möglich sei, sein Vorhaben zu verwirklichen.
    Das größte Wagnis schien ihm, das Haus in die so leicht vergänglichen Aquarell-Farben zu kleiden. Jedoch ein Blick zum strahlend blauen Himmel zerstreute seine Ängste vor möglichen Regenfällen.
    Auch andere Schwierigkeiten überwand der Maler. Manche Probleme lösten sich gar von selbst: So etwa die Frage, welche Themen er überhaupt auftragen sollte; denn er begann einfach zu malen.
    Dies geschah aus der Hochstimmung, eine große Aufgabe bewältigen zu wollen, die sich ihm bislang noch nicht gestellt hatte. Und er ahnte, daß er sich an kein enges Thema zu halten brauchte, wenn er einfach seine Erfahrungen darstellen würde.
    Er grundierte, legte Konturen an und malte. I r schlief nur noch kurze Zeit, um das Tageslicht so intensiv wie möglich für seine sorgfältige Arbeit auszunutzen. Und die Sonne schien lange im ’weiten Land’.
    Kaum noch fand der Künstler Zeit, sich um seinen Garten und sein Feld zu kümmern - so sehr war er mit seiner Malerei beschäftigt.
    Auf dem ehemals bleichen Mauerwerk entfaltete sich mit den Monaten und Jahren ein - aus der Nähe betrachtet - unüberschaubarer Reigen von Figuren, Landschaften und Kompositionen, die abstrakte Empfindungen verkörperten.
    Demgegenüber fanden sich die einzelnen Episoden - aus der Ferne betrachtet - zu einem geordneten Ganzen zusammen, was selbst den Maler, der ja all das geschaffen hatte, erstaunte und nachdenklich stimmte.
    Er war älter geworden, und noch immer zeigte sich nicht einmal die Hälfte der zur Verfügung stehenden Fläche bemalt.
    Dadurch, daß er nun seinen Wünschen und Hoffnungen auf den Wanden Gestalt verlieh, war es dem Maler möglich, sich von seiner Persönlichkeit zu lösen und sein Selbst mit dem auf der Wand zu vergleichen. Durch diese Wechselbeziehung, in welcher er mit seinen Schöpfungen in Verbindung trat, wurde er angeregt, immer neue Formen und Gestalten hervorzubringen.
    In den ersten Jahren dachte er nur selten an den Regen: Zu ungewohnt war diese Erscheinung im ’weiten Land“.
    Später dann, als das Werk schon weiter fortgeschritten war, ertappte sich der Maler des öfteren dabei, wie sein Blick zum Himmel wanderte. Unruhe überfiel ihn, wenn sich nur die kleinste Wolke zeigte.
    Als er etwa die Hälfte der Fläche bedeckt

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