Die Feuer von Córdoba
Feuerschein fiel auf die Gesichter der beiden Priester, und Juan erkannte sie.
Unwillkürlich sprang er einen Schritt zurück, so hastig, dass er beinahe gestolpert und hingefallen wäre. Im letzten Augenblick konnte er sich noch fangen.
»Pater Giacomo und Pater Stefano«, flüsterte er und machte das Kreuzzeichen. Sein Herz schlug schnell, und seine Kehle wurde eng. Er wusste, dass er soeben gesehen hatte, was eigentlich niemand sehen durfte. So nah, dass der Saum seines Gewands die Türschwelle des Hauses der Familie Martinez gestreift hatte, war der Tod vorbeigegangen. Der Tod in Gestalt des Inquisitors von Córdoba, der mit seinem Gehilfen und seinen beiden Dienern auf dem Weg zur Kirche San Tomás war, um ihr grausames Werk fortzusetzen.
Ich sollte fliehen, dachte Juan und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Ich sollte meine Ersparnisse nehmen und auf der Stelle mit Suzanna und den Kindern irgendwohin gehen. In die Berge zum Beispiel. Oder nach Osten. Vielleicht sogar in die Neue Welt. Wir sollten Córdoba verlassen, solange uns noch die Zeit bleibt.
Es muss ein Engel gewesen sein
Nur in Begleitung der beiden zuverlässigen Diener Pedro und Carlos waren Pater Giacomo de Pazzi und Pater Stefano da Silva auf dem Weg zu der Kirche San Tomás. Sie hatten keine Eile. Es war noch dunkel, und alles war still auf den Straßen der Stadt. Niemand begegnete ihnen. Es wäre auch nicht gut gewesen, wenn die Menschen in Córdoba gewusst hätten, wann und wo die Verhöre der Inquisition stattfanden. Das Volk war sprunghaft. Einerseits gierte es nach immer neuen Sensationen, nach Blut und nach Tod, andererseits fürchtete es sich. Heute verfolgte es noch mit Inbrunst jeden, der den Namen des Herrn beschmutzte, und schon morgen weinte es um die, die auf dem Scheiterhaufen starben. Aber weder Angst noch Neugierde konnte Pater Giacomo leiden. Beides schürte Unruhe, und das störte ihn empfindlich bei der Erfüllung seiner Aufgabe.
Vor vielen, vielen Jahren, als noch Tomás de Torquemada Großinquisitor von Spanien gewesen war, hatte es sogar einen Aufstand gegeben. Mit Besen, Dreschflegeln und Harken bewaffnet, hatten zwei Dutzend Männer und Frauen die Kerker der Inquisition in Córdoba gestürmt und versucht die dort sitzenden Gefangenen – zum Großteil handelte es sich um ihre Angehörige – zu befreien. Natürlich war dieses jämmerliche Unternehmen gescheitert, und alle daran Beteiligten hatten ebenso wie die Gefangenen schließlich ihr verdientes Ende auf dem Scheiterhaufen gefunden. Aber eine Wiederholung dieser Ereignisse war jederzeit möglich. Das Volk war unberechenbar, und der Widersacher war nicht dumm. Er – Beelzebub, Satan, Luzifer oder wie auch immer man den Teufel nennen wollte – lernte mit jedem Jahr dazu.
Stefano und Pater Giacomo warteten vor dem schmucklosen Portal der Kirche, während Pedro und Carlos gemeinsam den Innenraum nach ungebetenen Eindringlingen absuchten.
Zeitverschwendung, dachte Stefano und trat unruhig von einem Bein auf das andere, während er versuchte heimliche Beobachter in der Dunkelheit der Gassen ausfindig zu machen. Niemand, nicht einmal der abgebrühteste Dieb, hätte es je gewagt, sich nach Einbruch der Dunkelheit noch in der Kirche aufzuhalten. San Tomás stand in Córdoba in keinem guten Ruf. Und manch altes Weib behauptete sogar, dass es hier spuke. Die Anwohner in der näheren Umgebung verließen ihre Häuser und zogen in andere, »ruhigere« Viertel um oder zu Verwandten auf das Land, und die meisten Gläubigen beeilten sich, nach der heiligen Messe die Kirche wieder zu verlassen. Tatsächlich waren wohl ab und zu Schreie zu hören, die durch einen der schmalen Lüftungsschächte aus dem unterirdisch gelegenen Kerker an die Erdoberfläche drangen. Ein Umstand, der sich leider nicht unterbinden ließ, wie Pater Giacomo oft bedauernd feststellte. Denn der Inquisitor konnte zwar auf Speise und Trank verzichten, wochenlang fasten und sich regelmäßig als Zeichen der Buße und Hingabe selbst kasteien, um sich auf seine schwere, ungeliebte Aufgabe vorzubereiten, aber er brauchte Luft zum Atmen.
Ein Seitenflügel des Portals öffnete sich, und Pedro gab ihnen im Schein der Fackel das verabredete Zeichen – die Luft war rein.
Pater Giacomo ging hinein, und Stefano folgte eilig. Ihm war jedes Mal unbehaglich zumute, wenn er mit Pater Giacomo vor dem Portal darauf warten musste, bis die beiden Diener den Innenraum abgesucht hatten. Auch wenn er
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